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Brezeltango

Brezeltango

Titel: Brezeltango Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Kabatek
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Das entsprach schon eher meinen Vorstellungen! Fast vergaß ich, warum ich hier war, und ließ mich für einen Augenblick von der fröhlichen Stimmung anstecken. Dann lief ich an einem Stand mit Lebkuchenherzen vorbei: »Kleiner süßer Käfer«, »Zauberfee«, »Knutschkugel«, »Omi ist die Allerbeste«.
    Mein Magen krampfte sich zusammen. Wie würde der Abend ausgehen? Knutschkugel oder leeres Bett? Ich musste Leon finden! Ich lief jetzt schneller, auch wenn mein Fuß schmerzte. Warum fand ich die blöden Bierzelte nicht?
    Endlich entdeckte ich einen riesigen Giebelbau im Alpenstil, direkt daneben einen zweiten. Das schien die Feiermeile zu sein. Der Lärm nahm zu und es wurde immer schwieriger, sich einen Weg durch die Menge zu bahnen. Jemand trat mir auf den verletzten Fuß und ich jaulte auf. Ohne lange zu überlegen, rannte ich in das erste Zelt und kollidierte mit einer Bierkrug-Armada, die von einer vollbusigen Kellnerin mit Monstermuckis durch das Zelt gesteuert wurde. Eine Bierwelle schwappte auf mein Oberteil und meine Arme. Die Kellnerin stieß empörte Pfiffe auf ihrer Trillerpfeife aus. Ich regte mich nicht auf. Die Kombination aus Bier und Parfüm erhöhte meine Chancen, dass Leon mir später ohne langes Federlesen das Dirndl vom Leib reißen würde.
Wer soll das bezahlen, wer hat so viel Geld
...
    Schunkelnd, tanzend und grölend standen die Menschen auf den Bänken. In der Mitte des Zeltes heizte eine Kapelle die Stimmung auf, deren Mitglieder aussahen wie der geklonte Hauptmann von Köpenick. Der Boden klebte vom verschütteten Bier. Bedienungen beförderten riesige Tabletts mit dampfenden Hähnchenleichen in die eine, abgenagte Knochen in die andere Richtung und schaufelten die Reste in riesige Plastiktüten.
Scheißegal, ich liebe dich
...
    Ich hastete von Bank zu Bank, spähte in die VIP-Lounges, überprüfte die Schlangen am Klowagen und wurde immer verzweifelter. Wie sollte ich Leon jemals finden? Wie viele Zelte gab es? Außer ihm kannte ich nur Martin. Gut möglich, dass die beiden gerade mit der »Wilden Maus« fuhren, während ich im Zelt suchte!
    Vor dem nächsten Zelt hatte sich eine endlose Warteschlange gebildet. Ich versuchte, an einem Seiteneingang hineinzuschlüpfen, aber ein dumpf aussehender Security-Mann stellte sich mir gebieterisch in den Weg. In der Hand hatte er eine Liste. Es schien ihn nicht besonders zu wundern, dass überall Bier von mir heruntertropfte.
    »Hen Sie reserviert? Sonschd missad Se aschdanda. Wie älle andre au!«
    »Äh – nein«, sagte ich. »Das heißt: ja. Ich suche meinen Freund, der ist mit seiner Abteilung von Bosch hier. Blöderweise habe ich vergessen, in welchem Zelt er sitzt. Haben Sie eine Reservierung, die auf Bosch läuft?«
    Der Mann blätterte durch seine Liste und schüttelte den Kopf. »Noi, dud mr leid. I breichd an Noma, net die Firma. Noo missad Se halt Ihrn Fraind uff ’m Handy arufa.«
    »Danke«, sagte ich hastig und wandte mich ab. Ich beschloss, an natürliche Selektion zu glauben und das Zelt wegzulassen. Allmählich verließen mich die Kräfte.
    Ich schlüpfte in das dritte Zelt. »Wo sind die Frauen?«, brüllte jemand in ein Mikrofon. Ohrenbetäubendes Gekreische war die Antwort. Slips flogen mir um die Ohren. Ich arbeitete mich vorwärts. Endlich! Da stand Martin inmitten einer Gruppe schwankender Gestalten auf einer Bank. Er hatte die Augen halb geschlossen und hielt seinen Bierkrug schief, sodass bei jeder Bewegung Bier auf seine Hose schwappte. Tanja war nirgends zu sehen. Dafür jede Menge Frauen im Dirndl. Niemand schenkte mir Beachtung.
    »Martin!«, brüllte ich. Martin reagierte nicht. Ich packte ihn am Arm und er sah mich aus glasigen Augen unsicher an.
    »Martin, wo ist Leon?«, schrie ich.
    Er zuckte zusammen. »Grade weg«, lallte er. »S-Bahn. Vor fünf Minuten.«
    Herzlein, du musst nicht traurig sein ... Schuld war nur der Wein
... Ich kämpfte mich durch die Menge, hinaus aus dem Festzelt. So ein Mist! Jetzt hatte ich Leon verpasst! Der ganze Aufwand umsonst! Vielleicht erwischte ich ihn noch an der S-Bahn-Haltestelle?
    Ich stolperte durch die Budengassen, so schnell es mit dem verbundenen Fuß eben ging, drängelte mich durch eine Gruppe von Mädchen mit Teufelshörnern, die versuchten, mich abzuknutschen, und folgte dem Pfeil »S-Bahnhof Bad Cannstatt« durch eine Unterführung. Oben wies der Weg nach rechts. Nach dem ganzen Lärm brummte es in meinen Ohren. An einem Bretterzaun standen ein paar vor sich

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