Brian Lumleys Necroscope: Buch 2 - Vampirbrut (German Edition)
gelassen. Und mit einem Mal befand sich Konstantinopel, wie es auch genannt wurde, in unmittelbarer Reichweite des leidenschaftlichen Zorns der Kreuzritter. Darüber hinaus war Konstantinopel auch noch reich – sagenhaft reich! Irrsinnig reich! Die Aussicht auf eine solche Beute entschied dann auch über die Änderung der ursprünglichen Pläne. Ägypten mochte warten, die ganze Welt mochte warten – denn nun war das Angriffsziel die imperiale Hauptstadt selbst!
Ich will es kurz machen. Im Frühling setzten wir Segel nach Konstantinopel, unterbrachen die Fahrt ein paar Mal zu unterschiedlichen Zwecken, und im späten Juni lagen wir schließlich vor der kaiserlichen Hauptstadt. Ich nehme an, du kennst dich etwas in der betreffenden Geschichte aus. Monate dehnten sich zu Jahren, während derer moralische, religiöse und politische Auseinandersetzungen im Kreuzfahrerheer tobten und man sich nicht einigen konnte, ob die Eroberung und Plünderung der Stadt rechtens sei. Schließlich gewannen Habgier und Neid die Oberhand. Alle Pläne, von dort aus weiter in den Kampf gegen die Heiden zu ziehen, wurden schließlich aufgegeben.
Papst Innozenz III., der zum Kreuzzug aufgerufen hatte, hatte bereits die Venezianer wegen der Plünderung von Zara exkommuniziert, und nun war er vollends entsetzt – doch in jener Zeit brauchten die Nachrichten nach beiden Seiten hin sehr lange, bis sie endlich ankamen. In den Augen der Kreuzfahrer leuchtete Konstantinopel wie ein Juwel am Ende ihrer Reise. Uns allen dürstete nach den unermesslichen Reichtümern der Stadt. So einigte man sich über die Verteilung der Beute, und dann – Anfang April 1204 – griffen wir an. Alle politischen Überlegungen und Intrigen wurden beiseitegeschoben, denn nur aus diesem einen Grund befanden wir uns ja dort! So erschien es uns nun.
Ah! Und wie jauchzte da mein wildes Herz! Jede Faser meines Körpers schien vor Erregung zu vibrieren. Gold ist eine schöne Sache, aber Blut erst …! Blut, das man vergießt, das man trinkt – Blut, das durch feurige Adern strömt!
Ich will dir erzählen, was wir beim Angriff erlebten. Zuerst einmal griffen wir die Schiffe der Griechen an, die am Goldenen Horn warteten, um uns daran zu hindern, unterhalb der Mauern anzulegen. Sie kämpften tapfer, aber erfolglos, obwohl ihre Mühe nicht ganz umsonst war. Das Griechische Feuer ist eine schreckliche Waffe – es entzündet sich und brennt selbst auf dem Wasser! Ihre Katapulte schleuderten es auf unsere Schiffe, und Männer sprangen brennend ins Meer und brannten dort weiter! Auch ich wurde von den Flammen erfasst. Ich hatte fast knochentiefe Brandwunden an Schulter, Brust und Rücken. Ach! Ich war doch zuvor bereits verbrannt worden, und das von einem Fachmann! So angesengt, stürzte ich mich trotzdem in den Kampf. Mein Schmerz spornte mich nur an! Denn dies war mein Tag!
Falls du dich fragen solltest, wie ich, ein Wamphyri, unter den sengenden Strahlen der Sonne kämpfen konnte: Ich trug einen weiten schwarzen Umhang nach Art der Moslem-Offiziere, dazu einen ledernen, mit Eisen beringten Helm, um meinen Kopf zu schützen. Auch kämpfte ich, wann immer es möglich war, mit dem Rücken zur Sonne. Wenn ich nicht im Getümmel stand – und glaube mir, es gab noch anderes zu tun als zu kämpfen –, hielt ich mich selbstverständlich im Schatten oder im Inneren auf. Aber die Kreuzfahrer, ha! Wenn sie mich und meine Szgany kämpfen sahen, ha, wie beeindruckt sie waren! Vorher hatte man uns ignoriert, hatte uns für Pack gehalten, das zu Kampfbeginn die Reihen verlassen würde und lediglich als Futter für Feuer und Schwert dienen mochte, doch nun betrachteten uns sowohl die Franken wie auch die Venezianer als Dämonen, als unbezwingbare Höllenhunde. Wie froh sie gewesen sein müssen, uns auf ihrer Seite zu wissen. Jedenfalls glaubte ich das.
Doch ich sollte nicht abschweifen. Wir schlugen eine Bresche in die Stadtmauer am Blachernae-Viertel. Gleichzeitig brach genau in diesem Stadtteil ein Brand aus. Die Verteidiger waren verwirrt. Sie flohen in Panik, und wir schlugen sie nieder und strömten hinein in die fast menschenleeren Straßen, wo es kaum jemanden gab, der Widerstand leistete.
Wem standen wir denn schon gegenüber? Griechen, denen wir jetzt bereits den Wind aus den Segeln genommen hatten, ein undiszipliniertes Heer, das vor allem aus Söldnern bestand und an der schlechten Führung der letzten Jahre litt. Dazu kamen Truppenteile, die mit Slawen und Petschenegen
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