Brian Lumleys Necroscope: Buch 2 - Vampirbrut (German Edition)
Vaters!
Wenn er nur nicht so unfolgsam gewesen wäre. Schlimm für ihn, dass seine Unfolgsamkeit mir gegenüber keineswegs seine einzige Schwäche war. Wie ich damals am Ende meines Abenteuers mit den Kreuzfahrern, so vernachlässigte er ebenfalls die Vorsicht, die für einen Wamphyri lebensnotwendig war. Er wurde von den Szekely verehrt, stellte sich jedoch auf eine Stufe mit seinen Vorgesetzten, den wallachischen Prinzen, und wurde aufgrund seiner Exzesse ein berüchtigter Mann. Im ganzen Land fürchtete man ihn. Kurz gesagt, er erregte eine Menge Aufsehen. Und falls ein Vampir seine Langlebigkeit schätzt, sollte er auf keinen Fall auffallen!
Aber Thibor war völlig hemmungslos in seiner Grausamkeit! Wlad, der Pfähler, Radu, der Schöne und Mircea, der Mönch, hatten ihn jeweils mit dem Schutz der Wallachei und der Niederwerfung ihrer Gegner betraut, Aufträge, die er nur zu gern übernahm und in höchstem Maße effektiv durchführte. Es ist wirklich so: Der Pfähler, einer der beliebtesten Schurken der Geschichtsschreibung, hat seinen Ruf zu Unrecht erhalten. Sicher, er war grausam, doch letzten Endes hielt er für Thibors Taten her! Thibor mag nun geschlagen sein, doch das Entsetzen über seine fürchterlichen Taten wird weiterleben.
Nun lass mich fortfahren. Als ich zu lange bei den Türken verweilt hatte, verließ ich sie schließlich, während ihr Reich bereits zerbröckelte, und kehrte in die Wallachei zurück. Der Zeitpunkt war gut gewählt. Thibor war zu weit gegangen. Mircea hatte den Thron kürzlich bestiegen und fürchtete seinen dämonischen Wojwoden sehr. Auf diesen Augenblick hatte ich lange gewartet.
Als ich die Donau überquerte, sandte ich Wamphyri-Gedanken voraus und suchte nach meinen Zigeunern. Wo steckten sie? Erinnerten sie sich noch an mich? Dreihundert Jahre sind eine lange Zeit. Aber es war Nacht, und ich war der Herr der Nacht. Meine Gedanken flogen auf den Flügeln der dunklen Winde in alle Winkel der Wallachei und ins Gebiet der vom Schatten bedeckten Berge. Träumende Romany an ihren Lagerfeuern vernahmen meinen Ruf und erwachten. Sie blickten sich gegenseitig verwundert an. Denn von ihren Großvätern hatten sie eine Legende gehört – und die hatten es wieder von ihren Großvätern vernommen –, dass ich eines Tages zurückkehren würde.
1206 waren zwei meiner Szgany-Söldner heimgekommen, jene beiden, die in der Nacht des feigen Verrats der Kreuzfahrer verhört und schließlich verschont worden waren, und mit ihnen war diese schreckenerregende Sage entstanden. Und nun war ich da und nicht länger nur eine legendäre Figur in den Erzählungen der Alten. »Vater, was sollen wir tun?«, flüsterten sie in die Nacht hinein. »Sollen wir zu deiner Begrüßung erscheinen, Herr?«
»Nein«, sprach ich zu ihnen über all jene Flüsse und Wälder und Kilometer hinweg. »Ich habe noch etwas zu erledigen, das nur ich allein vollbringen kann. Zieht in die Carpatii Meridionali und bringt mein Haus in Ordnung, damit ich dort wohnen kann, wenn meine Arbeit getan ist.« Und ich wusste, dass sie meinem Befehl Folge leisten würden.
Dann … besuchte ich Mircea in Targoviste. Thibor befand sich auf einem Kriegszug an der ungarischen Grenze und war somit ein gutes Stück entfernt. Ich zeigte dem Prinzen lebendes Vampirfleisch, das ich aus meinem eigenen Körper entnommen hatte, und behauptete, es stamme von Thibor. Dann verbrannte ich es, weil er der Ohnmacht nahe schien. Das zeigte ihm eine Methode, wie man einen Vampir töten kann. Ich berichtete ihm auch von der anderen Möglichkeit: dem Pflock und der Enthauptung. Dann befragte ich ihn über die Langlebigkeit seines Wojwoden. Kam es ihm nicht eigenartig vor, dass Thibor mindestens dreihundert Jahre alt sein musste? Nein, antwortete er, denn das sei ja nicht ein Mann gewesen, sondern mehrere. Sie seien alle Teil der gleichen Legende gewesen, und sie nähmen alle den gleichen Namen – Thibor – an. Alle hätten über die Jahrhunderte unter dem Banner mit Teufelskopf, Fledermaus und Drachen gekämpft.
Ich lachte ihn aus. Dann erklärte ich ihm, ich hätte die Chroniken der Russen genau studiert und wüsste ganz sicher, dass dieser Mann – dieser eine Mann – sich vor dreihundert Jahren als Bojar am Hof in Kiew aufgehalten hatte. Zu jener Zeit sei das Gerücht umgegangen, er sei ein Wamphyri. Die Tatsache, dass er immer noch am Leben sei, untermaure dieses Gerücht. Er sei ein gieriger Vampir, und nun gelüste es ihm, so behauptete ich,
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