Brian Lumleys Necroscope: Buch 2 - Vampirbrut (German Edition)
Schrei.
Dann entfachte ich ein kleines Feuer, um die Soldaten und die Priester zu täuschen, und wärmte mich eine Stunde lang daran, denn die Nacht war kühl. Danach stieg ich in die Ebene hinab.
»Leb wohl, mein Sohn«, sagte ich zu Thibor. Und dann sperrte ich ihn aus meinem Geist aus, so wie ich ihn für immer aus der Welt der Lebenden ausgesperrt hatte.
»Und so hast du dich an Thibor gerächt«, sagte Harry, als Faethor innehielt. »Du hast ihn für immer lebendig – oder untot – begraben. Das mag deinen eigenen grausamen Gelüsten gedient haben, Faethor Ferenczy, aber der Welt im Allgemeinen hast du bestimmt keinen Gefallen getan, als du ihm seinen Kopf gelassen hast. Er hat Dragosani verdorben und ihm sein Vampirblut eingepflanzt, und zwischendurch hat er den noch ungeborenen Yulian Bodescu infiziert, der nun selbst zum Vampir geworden ist. Hast du davon gewusst?«
Harry, sagte Faethor, zu Lebzeiten war ich ein Meister der Telepathie, und im Tod …? Oh, die Toten weigern sich, mit mir zu sprechen, und ich kann es ihnen nicht verdenken, aber nichts könnte mich daran hindern, ihre Unterhaltungen zu belauschen. Auf gewisse Weise, könnte man sagen, bin ich vielleicht auch ein Necroscope wie du. Ich habe die Gedanken so vieler belauscht. Und es gab dabei einige, die mich in besonderem Maße interessierten – vor allem, wenn es um diesen Hund Thibor ging. Ja, seit meinem Tod beobachte ich seine Machenschaften mit neuem Interesse. Ich weiß auch von Boris Dragosani und Yulian Bodescu.
»Dragosani ist tot«, erzählte Harry unnötigerweise. »Aber ich habe mich mit ihm unterhalten, und er sagte mir, Thibor wolle zurückkehren, und zwar durch Bodescu. Aber wie könnte er das bewerkstelligen? Ich meine – Thibor ist tot, nicht länger nur untot, sondern richtig und endgültig tot, verwest und aus.«
Etwas von ihm ist auch jetzt noch vorhanden.
»Vampirmaterie, meinst du? Hirnloses Protoplasma, das sich in der Erde verbirgt, das Licht meidet und keinen bewussten Willen besitzt? Wie kann Thibor das benutzen, da er doch wohl seine Gewalt darüber verloren hat?«
Eine interessante Frage, kommentierte Faethor. Thibors Wurzel – eine Ranke aus Fleisch, irgendein zufällig dort zurückgelassener Tentakel – scheint mir das genaue Gegenteil von dir und mir darzustellen. Wir sind nicht körperlich vorhanden: lebende Geister ohne materielle Körper. Und dieser Rest Thibors ist … was eigentlich? Ein lebender Körper ohne Geist?
»Ich habe keine Zeit für Rätsel und Wortspiele, Faethor«, erinnerte ihn Harry.
Ich habe nicht gespielt, sondern deine Frage beantwortet, sagte Faethor. Teilweise jedenfalls. Du bist doch ein intelligenter Mann. Kommst du nicht von allein darauf?
Das ließ Harry nachdenklich werden. Meinte Faethor, dass Thibor sich in diesem hirnlosen Wesen wieder einnisten könne? Ein neues Wesen, mit Yulians physischer Gestalt und Thibors Vampirgeist?
Faethor lauschte natürlich Harrys Überlegungen. Bravo!, applaudierte der Vampir.
»Dein Vertrauen ehrt mich zwar, ist aber fehl am Platz«, sagte Harry nüchtern. »Ich habe die Antwort immer noch nicht. Oder ich verstehe sie einfach nicht. Mir ist nicht klar, wie Thibors Geist Yulians Körper steuern könnte. Jedenfalls nicht, solange Yulians eigener Verstand seinen Körper regiert.«
Wieder gab Faethor ein knappes Bravo von sich, und Harry tappte weiter im Dunklen.
»Erkläre es mir«, gab sich der Necroscope schließlich geschlagen.
Falls Thibor Yulian Bodescu zu den Kreuzhügeln locken kann, begann Faethor nun, und falls er seinen überlebenden Ausläufer, das von ihm abgestoßene Protofleisch, das er möglicherweise gerade zu diesem Zweck dort zurückließ, mit Bodescu vereinigen kann …
»Könnte er eine hybride Form erschaffen?«
Warum nicht? Bodescu trägt ja bereits etwas von Thibor in sich. Er steht schon unter dessen Einfluss. Das einzige Hindernis, wie du selbst feststelltest, wird der eigene Verstand des Jungen darstellen. Die Antwort: Thibors Vampirgewebe wird, sobald er es einmal im Körper hat, einfach Yulians Hirn auflösen, um für Thibors Hirn Platz zu schaffen!
»Es auflösen?« Harry wurde ein wenig übel bei diesem Gedanken.
Buchstäblich!
»Aber … ein Körper ohne die Steuerung durch das Hirn stirbt doch ganz schnell!«
Ein menschlicher Körper gewiss, sofern er nicht künstlich am Leben gehalten wird. Aber Bodescus Körper ist nicht mehr vollständig menschlich. Das ist doch wohl der Kern deines Problems, ja?
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