Brian Lumleys Necroscope Buch 3: Blutmesse (German Edition)
Aber wenn das der Fall ist, was ist dann mit Sehern? Was ist mit den Hellsehern?
Clarke verstand für den Moment nicht, worauf er hinauswollte: Es tut mir leid, aber ...?
Also, wenn die Telepathen unwissentlich das Möbius-Kontinuum benutzen, was ist dann mit den Hellsehern? Zapfen die auch das Möbius-Kontinuum an, um in die Zukunft zu sehen?
Clarke hatte es jetzt begriffen. Sicher. Das hatte ich vergessen. Du kannst in die Zukunft sehen, nicht wahr?
So etwas Ähnliches. Um es genau zu sagen, ich kann in die Zukunft gehen. Zu meinen außerkörperlichen Zeiten konnte ich mich sogar in der Zukunft oder der Vergangenheit manifestieren, aber jetzt, wo ich wieder einen Körper habe, kann ich das nicht mehr – zurzeit jedenfalls nicht. Aber ich kann immer noch vergangenen und zukünftigen Zeitströmen folgen, solange ich im Möbius-Kontinuum bleibe. Und ich sehe, du hast es erraten. Genau das wollte ich dir zeigen. Die Zukunft, und die Vergangenheit.
Harry, ich weiß nicht, ob ich dazu bereit bin, ich ...
Wir gehen nicht wirklich dorthin, beschwichtigte Harry. Wir werfen nur einen Blick darauf, das ist alles. Und bevor Clarke noch protestieren konnte, öffnete er ein Tor in eine zukünftige Zeit.
Clarke stand mit Harry auf der Schwelle der Tür in die Zukunft, und die Faszination und die Ehrfurcht vor dem, was er dort sah, lähmte fast seinen Verstand. Er stand vor einem Chaos aus Millionen, nein, Milliarden von Linien aus leuchtend blauem Licht, das auf einen undurchdringlichen Hintergrund von schwarzem Samt geätzt war. Es war wie ein unglaublicher Meteoritenschauer, und all die Meteoriten strömten von ihm weg in die unergründlichen Tiefen des Raumes. Aber anders als bei den Meteoriten verblassten hier ihre Spuren nicht, sondern hoben sich grell gegen den Himmel ab – beziehungsweise gegen die Zeit. Und das erstaunlichste daran war, dass einer von den verschlungenen, gewundenen Strahlen blauen Lichtes aus ihm herausströmte, sich von ihm weg oder aus ihm heraus erstreckte und in die Zukunft verlief. Neben Clarke brachte Harry ein weiteres blaues Band hervor. Es stieß aus ihm heraus und schoss auf seinem eigenen Neonkurs hinaus in die Zukunft.
Was ist das? Clarkes Frage war ein Flüstern im metaphysischen Möbiusäther.
Auch Harry war ergriffen von diesem Anblick. Die Lebensfäden der Menschheit, erklärte er. Das ist die gesamte Menschheit, von denen diese beiden Fäden hier, deiner und meiner, nur den allergeringsten Teil ausmachen. Dieser hier in mir war ursprünglich der von Alec Kyle, aber zum Schluss war er sehr schwach geworden und schon fast verloschen. Aber jetzt ist er einer der hellsten! Und plötzlich stellte Clarke fest, dass er gar keine Angst mehr hatte. Selbst nicht, als Harry sagte: Du brauchst nur durch dieses Tor zu gehen und könntest deinem Lebensfaden bis zu seinem Ende folgen. Ich kann das und kann auch zurückkehren. Ich habe das sogar schon getan, aber nicht bis ganz zum Ende. Das ist etwas, was ich gar nicht wissen will. Ich ziehe es vor, zu glauben, es gebe kein Ende und der Mensch würde auf ewig weiterleben. Er schloss das Tor und öffnete ein anderes. Und diesmal brauchte er nichts zu erklären.
Es war die Tür in die Vergangenheit, zum Beginn des menschlichen Lebens auf der Erde. Die Myriaden von blauen Lebensfäden waren hier so wie hinter der anderen Tür; aber diesmal zogen sie sich zusammen und verengten sich zu einem weit entfernten blauen Ursprung, statt sich in die Ferne zu erstrecken.
Bevor Harry auch diese Tür schließen konnte, hatte Clarke sich die Szenerie ins Gedächtnis gebrannt. Selbst wenn von da an sein Leben nur noch aus öder Langeweile bestehen sollte, so war dieses Abenteuer im Möbius-Kontinuum doch etwas, an das er sich bis zu seinem Todestag erinnern wollte. Aber schließlich wurde die Tür in die Vergangenheit geschlossen, es gab eine plötzliche schnelle Bewegung und ...
Wir sind zu Hause!, sagte Harry.
ACHTES KAPITEL
Ein viertes und letztes Tor war aufgestoßen worden, und Clarke fühlte, wie er hindurchgeschoben wurde. Aber das plötzliche Gefühl der Beschleunigung hatte ihn überrascht und aus dem Gleichgewicht gebracht, und ihm war immer noch schwindelig. Harry? Der Gedanke zitterte wie ein Blatt in der substanzlosen Leere des Möbius-Kontinuums. »Harry?«
Bei diesem zweiten Mal war seine Stimme hörbar, nicht nur seine Gedanken. Er befand sich mit Harry Keogh in seinem Büro im Hauptquartier des E-Dezernats in London. Einen Moment lang
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