Bride 02 - Tempel Der Liebe
kein Problem dar. Mit einem gewissen Zynismus vermutete sie, dass sie für die meisten von ihnen eine exotische Fantasiegestalt darstellte. Dementsprechend benahmen sie sich ihr gegenüber freundlich und zuvorkommend, bis auf einige sehr betagte Herren, die sie misstrauisch aus den Augenwinkeln beäugten.
Bei den Frauen lagen die Dinge allerdings anders. Als Kyle sie einer Gruppe der einflussreichsten Frauen der Grafschaft vorstellte, musterten sie ein Dutzend Augenpaare mit einer Mischung aus Neugier und Feindseligkeit. Sie war nicht nur eine Ausländerin, sondern sie hatte einen der begehrtesten Junggesellen Englands gestohlen.
Bevor eine Unterhaltung in Gang kommen konnte, erschien ein Diener und raunte Kyle etwas zu. Kyle zog die Stirn kraus, dann blickte er zu Troth. »Verzeih, ich muss dich für ein paar Minuten allein lassen. Ich bin gleich wieder bei dir.«
Offensichtlich widerstrebte es ihm, sie der Gnade oder Ungnade dieser Damen auszuliefern. Die Erste, die Troth mit kühler Höflichkeit ansprach, war Lady Swithin, Sir Edwards verwitwete Mutter. »Wie finden Sie Northamptonshire, Lady Maxwell?«
Am liebsten hätte sie geantwortet, es sei ganz einfach zu finden. Man brauche nur eine Kutsche zu mieten, dann würde es der Kutscher schon finden. Stattdessen aber antwortete Troth: »Es gefällt mir gut, obwohl ich die Kälte nicht gewöhnt bin.«
Eine der Frauen tuschelte: »Was für ein sonderbares Wesen! Wo mag Maxwell sie wohl aufgegabelt haben?« Wahrscheinlich aber war dies nicht für Troths Ohren bestimmt.
»Jedenfalls nicht dort, wo wir uns aufhalten würden«, kam die boshafte Antwort.
Mit einem missbilligenden Blick auf die beiden Flüsternden mischte sich Lady Swithin ein: »Ich bin überzeugt, Lady Maxwell, für unsere Gesellschaft werden Sie eine interessante Bereicherung sein.«
Damit war die Unterhaltung beendet, bis sich eine sehr elegant gekleidete Dame zu ihnen gesellte. »Lady Swithin, machen Sie mich doch bitte mit dieser entzückenden jungen Dame bekannt«, bat sie mit einer tiefen, warmen Stimme.
»Das ist Lady Maxwell, Euer Gnaden. Die Herzogin von Candover.«
Das goldblonde Haar der Herzogin war mit silbernen Strähnen durchsetzt und die feinen Linien um die Augen zeigten, dass sie hoch in den Vierzigern war, wenn nicht älter, aber sie war immer noch von überwältigender Schönheit. Gemessen an der Reaktion der anderen Frauen, war sie die Tai-tai der hier versammelten Gesellschaft. Troth verbeugte sich. »Es ist mir eine Ehre, Euer Gnaden.«
»Die Ehre ist meinerseits. China hat mich schon immer fasziniert. Ich hoffe, Sie werden mir bei Gelegenheit mehr darüber berichten.« Die Herzogin berührte Troths Ärmel. Dabei schloss sie kurz ein graugrünes Auge. Es war ein unmissverständlicher Wink. »Ihr Kleid ist prachtvoll. Eine so kostbare Stickerei habe ich noch nie gesehen.«
Das Kompliment der Herzogin brach das Eis. Das blasse blonde Mädchen, mit dem Kyle sich vorher unterhalten hatte, sagte unbefangen:. »Ich dachte immer, Chinesen wären gelb, aber Ihr Teint ist so hell wie der einer Engländerin.«
»Bei den Chinesen gibt es verschiedene Schattierungen, nur nicht gelb«, erklärte Troth. »Meine Mutter stammte aus einem Teil Chinas, in dem die Menschen ziemlich hellhäutig sind. Mein Vater war natürlich Schotte.«
Nachdem sich die Situation entspannt hatte, wollten einige der jüngeren Damen Näheres über Troths Kleidung wissen, über Kosmetika und das Leben der chinesischen Frau. Bald stellten auch die Älteren Fragen. Tipps für die Schönheit interessierten jede Frau. Troth wurde bewusst, wie leicht ihr die Sprache die Türen öffnete. Da sie Englisch wie eine Muttersprache beherrschte, vergaßen die Damen schnell ihr ungewöhnliches Äußeres und unterhielten sich mit ihr, als ob sie eine waschechte Engländerin vor sich hätten. Oder besser gesagt: eine Schottin.
Kyle gesellte sich wieder zu der kleinen Gruppe, als Troth an einem Glas Champagner nippte und mit der Herzogin plauderte, die nicht nur ebenso freundlich wie Meriel war, sondern offensichtlich auch selbst eine sehr bewegte Vergangenheit hinter sich hatte. Troth hätte die Bekanntschaft mit der Herzogin gern vertieft.
Zu Kyle gewandt, sagte die Herzogin: »Sie haben die Gesprächsthemen von Northamptonshire mit dieser jungen Dame aufgewertet, Maxwell. Mein Kompliment.«
Er lächelte die ältere Dame liebevoll an. »Ich dachte mir, dass sie beide Gefallen aneinander finden. Darf ich meine Frau zu
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