Bride 02 - Tempel Der Liebe
darin.«
Sie hatte ihn noch nie so wütend erlebt, nicht ihr gegenüber. Warum reizte sie ihn derart? Warum warf sie ihm vor, er und seine Familie hätten ihr übel mitgespielt? Sein Vater war ein alter bigotter Griesgram, aber Kyle war ihr gegenüber stets aufrichtig gewesen. Es war nicht seine Schuld, dass er sie nicht lieben konnte.
Der Abend in Fengtang kam ihr lebhaft in Erinnerung, als er darauf bestanden hatte, dass sie ihn zurückließ, um sie vor der Wut des Pöbels zu schützen. Wenn sie ihm das Leben gerettet hatte, dann hatte er auch ihr das Leben gerettet. Sie hatte nicht das Recht, ihm zu zürnen. Es war Zeit, den Zorn zu vergessen, bevor ihre Seele vergiftet wurde. »Du hast vielleicht nicht vor, dich wieder zu verheiraten, aber das Leben ist voller Überraschungen. Verschließe die Tür nicht voreilig.«
Pearl Blossom wählte diesen Augenblick, um mit einem mächtigen Satz auf das Tischchen zu springen. Als das Kätzchen die Blumen näher untersuchen wollte, schob Troth es vom Tisch herunter. »Am besten, Sie halten Ihre Tür fest verschlossen, Mylord, sonst könnten gefährliche Frauen eintreten und sich an Ihrer Person und Ihrem Besitz schadlos halten.«
Mit Pearl auf der Schulter ging sie um das Bett herum auf die Tür zu. Welche Frau würde wohl dieses Bett mit ihm teilen?
Sie nicht. Niemals.
KAPITEL 36
Wehe, wenn das Bettumräumen nichts geholfen hätte! Kyles Albträume hatten sich von den regelmäßig wiederkehrenden Schreckensszenen, die ihn nachts schweißbedeckt aus dem Schlaf rissen, in schlechte Träume verwandelt, die sich bald verflüchtigten. Eine gewaltige Verbesserung. Allmählich kehrten seine Lebensgeister zurück.
Leider verbesserte sich seine Beziehung zu Troth nicht, die ihn mit ausgesuchter Höflichkeit behandelte. Das Gute dabei war, dass sie ihn auf Abstand hielt, da er sich mit zunehmenden Kräften ihrer körperlichen Nähe von Tag zu Tag schmerzlicher bewusst wurde.
Ausgerechnet in diesem Jahr setzte der Frühling zeitig ein. Viel zu schnell würde es für sie an der Zeit sein, in Richtung Norden nach Schottland aufzubrechen, und wenn es so weit war, das spürte er in den Knochen, würde Troth nicht mehr zu ihm zurückkehren.
Als Trost blieben ihm die Chi-Übungen. Bereits beim Aufstehen freute er sich darauf, den Tag mit Chi zu beginnen, und er hoffte, die Übungen würden seinen angeschlagenen seelischen und körperlichen Zustand stärken. Nach den morgendlichen Unterrichtsstunden fühlte er sich ruhig und entspannt und offen für alles, was der Tag ihm bringen würde. Er hatte für sich mehrere weite chinesische Anzüge anfertigen lassen, für Troth noch zwei zusätzliche, damit sie nicht jeden Tag das gleiche Kleidungsstück tragen musste.
Jeden Morgen verließ sie das Haus lautlos wie eine Katze. Es schien ihr gleichgültig zu sein, ob er ihr folgte oder nicht. Er machte sich ein Spiel daraus, sie beim Hinausgehen abzupassen oder sie in den Gärten aufzuspüren, wenn er sie vorher verfehlt hatte. Ständig wechselte sie die Übungsplätze, wahrscheinlich je nach Wetter und Stimmung. Am heutigen Morgen war sie bereits unterwegs, als er aus seinem Schlafzimmerfenster blickte. Also würde er sich wieder auf die Suche machen müssen.
Seine Spürnase war immer besser geworden. Es überraschte ihn nicht, dass er sie diesmal in einem kleinen Hain von Obstbäumen antraf, weit weg, am äußersten Ende des Gartens. Die blühenden Bäume verzauberten diesen Ort. Mit jedem Windhauch schwebten die zarten Blütenblätter tanzend ins Gras.
Am Rande des Wäldchens blieb er stehen. Das Herz zog sich zusammen, als sie sich voller Anmut zwischen den hellen Sonnenstrahlen bewegte, die wie Büschel durch die Stämme und Zweige fluteten. Es gab keine Frau, die sich mit ihr vergleichen ließ, weder in China, Europa oder Amerika. An diesem Morgen trug sie ihr Haar offen. In dunklen Kaskaden umschmeichelte es verführerisch ihre Schultern, als sie unter den duftenden Blüten einige Chi-Formen beinahe schwebend ausführte.
Sie wandte sich um und erblickte ihn. Mit einem warmen Lächeln, so wie er es seit Wochen nicht mehr gesehen hatte, lud sie ihn zum Mitmachen ein. Mit Leichtigkeit folgte er ihren Figuren und stellte sich vor, wie die Lebensenergien von der Erde in ihn strömten. Ein wohltuender Friede breitete sich in ihm aus. Auch wenn er diese Übungen bald allein machen würde, war Troth immer bei ihm.
Nachdem sie ihm drei weitere Grundübungen gezeigt hatte, hob Troth
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