Bride 02 - Tempel Der Liebe
Augen waren typisch chinesisch. Aber ihre Gesichtszüge waren durch den schottischen Einfluss ausgeprägter als die Gesichter der kantonesischen Frauen. Von ihrem Vater hatte sie auch die Größe geerbt. Ihr Körperbau jedoch war leicht und graziös, eher asiatisch als britisch.
Über ihre Figur konnte er wenig sagen. Die weiten, chinesischen Kleider versteckten ihren Körper sehr gut. In England wäre es viel schwieriger gewesen, sich als Mann zu verkleiden.
Wie konnte so viel Kraft in diesem zarten Körper stecken? Dass sie es mit einem halben Dutzend Männer aufnehmen konnte, war beängstigend und erregend zugleich. »Ich habe noch nie jemand wie Sie kämpfen sehen. Wie, zum Teufel, machen Sie das?«
»Ich bin in der Kampfkunst ausgebildet, die man Kung fu nennt«, erklärte sie. »Es gibt viele verschiedene Arten. Ich übe Wing Chun aus. Es wurde ursprünglich entwickelt, um die Schwächen und Stärken von Frauen zu nutzen.«
Er rieb sich den schmerzenden Kopf und versuchte zu begreifen, was für eine erstaunliche junge Frau er da vor sich hatte. Troth. Das war ein guter schottischer Name, der Ehrlichkeit und Treue bedeutete. »Ich habe noch nie so etwas wie dieses Wing Chun gesehen. Können alle Chinesen so kämpfen wie Sie?«
»Wenn sie es könnten, wären Sie jetzt tot«, erwiderte sie trocken. »Es gibt nicht viele, die die Kampfkünste beherrschen, und wer es tut, prahlt nicht damit. Das Wissen wird vom Meister an seine Schüler weitergegeben. Mein Kindermädchen in Macao wurde angestellt, um meiner Mutter zu dienen und sie zu beschützen. Sie war eine Expertin in Wing Chun. Sie gab mir Unterricht, sobald ich laufen konnte.«
»Ich wusste nicht, dass Chinesinnen kämpfen dürfen.«
»Es gab früher sogar einmal eine Witwenarmee. Eine sehr beliebte Legende in China handelt von Mulan. Sie war eine sehr pflichtbewusste Tochter und nahm in der Armee den Platz ihres Vaters ein. Sie war eine mutige Kämpferin.«
»Das kann ich mir bei Ihnen auch vorstellen.«
»Mulan hat es nicht wirklich gegeben.« Sie stand auf und setzte die Mütze wieder auf. Ihre Haltung änderte sich. Sie ließ die Schultern hängen und ihr Gesicht war wieder völlig ausdruckslos. »Ich muss jetzt gehen.«
»Warten Sie!« Er wollte sie nicht so schnell wieder verlieren und hob unbewusst die Hand. Doch für seine Mühe wurde er mit einem stechenden Schmerz belohnt. Er unterdrückte einen Fluch und sagte: »Es ist schon spät, aber ich möchte bald wieder mit Ihnen sprechen, Miss Montgomery.«
»Es gibt keine »Miss Montgomery<, es gibt nur Jin Kang.«
»Das ist nicht möglich. Ich weiß jetzt die Wahrheit. Ich könnte doch so viel von Ihnen lernen.« Er bemühte sich, ihr sein schönstes Lächeln zu schenken. »Es kann doch sicher nicht schlimm sein, wenn wir uns unterhalten.«
»Für Sie nicht, für mich schon.«
»Wäre Chenqua verärgert, wenn Ihre wahre Identität bekannt würde?«
Sie zögerte. »Er wäre sicher sehr verstimmt. Er hat den Befehl gegeben, dass keiner in der Händlergemeinschaft erfahren darf, wer ich wirklich bin. Es ist Frauen nicht erlaubt, für die Fan-qui zu arbeiten. Wenn die Leute des Gouverneurs von mir erfahren würden, würde Chenqua und vielleicht seine ganze Familie hart bestraft werden. Und außerdem gibt es noch ... andere Gründe.«
»Wäre es zu schwierig, Jin Kang zu sein, wenn Sie manchmal auch Troth wären?«
Sie blickte ihn mit gerunzelter Stirn an. »Ein Chinese würde eine solche Frage niemals stellen.«
»Aber ich bin kein Chinese und das sind Sie auch nicht, jedenfalls nicht ganz.« Er spürte sich jetzt stärker mit >Jin Kang< verbunden. Er wollte alles über sie wissen und fragte deshalb: »Sind Sie glücklich, so wie Sie leben?«
Sie hob das Kinn. »Man behandelt mich gut und mein Herr ist mit meinen Leistungen zufrieden. Ich halte mich für einen Menschen, der sich glücklich schätzen kann.«
»Und doch beruht Ihr Leben auf einer Lüge, die jeden Augenblick ans Licht kommen könnte«, sagte er mehr zu sich selbst als zu ihr.
Ihr Blick wurde eiskalt. »Wollen Sie mir drohen?«
»Nein, um Gottes willen! Ihr Leben zu zerstören, während Sie meines retteten, wäre kein guter Tausch. Ihr Geheimnis ist sicher bei mir aufgehoben. Ich werde niemandem erzählen, dass Sie eine Frau sind.«
Sie entspannte sich ein wenig. »Danke. Es wird leichter sein, wenn Chenqua nicht erfährt, wie leichtsinnig ich gewesen bin.«
»Sie haben sich heldenhaft verhalten, nicht leichtsinnig.« Er
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