Bride 02 - Tempel Der Liebe
lief ein kalter Schauer über den Rücken. Ihre Aussage hatte soeben ein halbes Dutzend Männer zu Folter und Tod verurteilt. Sie hatten es sicher verdient. Aber sie war zu sehr ein Kind ihres Vaters, um die Grausamkeit der chinesischen Justiz zu billigen.
Chenqua fuhr fort. »Du musst Lord Maxwell beschützen, bis er Kanton verlässt. Bleib in seiner Nähe. Zu diesem Zweck kannst du, wenn nötig, Elliott um Hilfe bitten - auch er möchte nicht, dass Lord Maxwell etwas zustößt.«
KAPITEL 8
Kyle erwachte früh am nächsten Morgen. Alles tat ihm weh. Er hatte wirklich jede Menge Tritte und Schläge einstecken müssen. Troth schien Gavin Elliott nicht geweckt zu haben. Wahrscheinlich hatte sie gedacht, dass keine Notwendigkeit dafür bestand. Schließlich war es Kyle gut genug gegangen, um mit ihr zu streiten. Aber nun musste er Gavin Elliott von den Vorfällen der letzten Nacht in Kenntnis setzen.
Zuerst wusch er sich das Gesicht mit kaltem Wasser. Dann humpelte er den Gang entlang zum Zimmer seines Freundes. Es lag auf der Seite mit Blick auf den Fluss. Für einfache Angestellte der Handelsgesellschaft gab es nur stickige Zimmer mit Blick auf den Hinterhof oder auf die Stadtmauer.
Als Kyle klopfte, rief Gavin: »Herein!«
Kyle betrat das Zimmer. Sein Freund saß vor dem Fenster am Schreibtisch und schrieb Briefe. Gavin trug einen weiten chinesischen Mantel. Sein Zimmer war sowohl mit chinesischen als auch mit europäischen Möbeln eingerichtet.
Gavin bot das typische Bild eines reichen Kaufmanns. Er hatte sich von den finanziellen Schwierigkeiten erholt, die er mit Elliott House geerbt hatte, und war nun auf dem besten Wege, einer der reichsten Männer Amerikas zu werden.
Gavin pfiff leise, als er Kyles blaue Flecken sah. »Was, zum Teufel, ist denn mit ihnen passiert? Hatten Sie beschlossen, dass die Reise nach Kanton ohne Schlägerei in der Hog Lane nichts wert ist?«
»Ich wünschte, es wäre so.« Kyle schenkte sich eine Tasse Tee aus der Kanne ein, die auf Gavins Schreibtisch stand. Dann nickte er anerkennend. »Die Mischung schmeckt mir. Ist das Zitrone?«
»Ja. Das ist bis jetzt die beste Mischung. Ich probiere weiterhin neue Geschmacksrichtungen aus. Aber wechseln wir nicht das Thema - was ist letzte Nacht geschehen?«
Kyle setzte sich vorsichtig auf einen Holzstuhl. »Ich wurde mit der Aussicht auf singende Grillen von der Hog Lane in eine Seitengasse gelockt und von sechs Schlägern einer Bande angegriffen. Die Kerle wollten mich nicht ausrauben, sondern töten.«
»Guter Gott!« Gavin legte seinen Federhalter hin. »Das hat es noch nie gegeben. Innerhalb der Siedlung bestand für Europäer bisher keinerlei Gefahr. Wie sind Sie denen denn entwischt?«
Kyle hatte bereits eine leicht abgewandelte Fassung der tatsächlichen Ereignisse vorbereitet. »Zum Glück hatte ich ein Messer dabei. Ich musste einiges an Hieben einstecken. Aber es ist mir gelungen, zur Hog Lane zurückzulaufen, ohne ernsthaft verletzt zu werden. Jin Kang hat mich gesehen - er hatte noch spät in der English Factory zu tun. Er hat mir geholfen, nach Hause zu kommen.«
Gavin verschränkte stirnrunzelnd die Arme vor der Brust. »Konnte Jin Kang sich erklären, warum man ausgerechnet Sie angegriffen hat?«
»Er hielt es für möglich, dass einer von Chenquas Feinden dahintersteckt. Vielleicht liegt es an meinem verdammten Titel. Der Mord an einem Lord wäre natürlich weitaus skandalträchtiger als der Mord an einem gewöhnlichen Bürger.«
»Das ist leider wahr. Chenqua wird sich jedoch darum kümmern - Ihre Angreifer werden wahrscheinlich innerhalb der nächsten achtundvierzig Stunden in Scheibchen geschnitten und als Hundefutter verarbeitet werden. Aber Sie sollten lieber im Hong bleiben, bis Sie abreisen.«
»Nein.« Kyle stand auf. »Ich kann von China ohnehin nur sehr wenig sehen. Ich denke nicht daran, mich in ein Lagerhaus sperren zu lassen. Wenn es Sie beruhigt, werde ich ab jetzt immer eine Pistole dabei haben und nachts nicht allein ausgehen.«
»Seien Sie vorsichtig - wir fremden Teufel dürfen uns eigentlich nicht bewaffnen.«
Kyle nickte. »Darf ich Jin Kang als Begleiter mitnehmen, wenn ich ausgehe? Er spricht recht gut Englisch. Mit ihm kann man sich wenigstens ein bisschen unterhalten.«
»Eine gute Wahl. Er wird Sie beschützen, auch im Interesse von Chenqua. Waren Sie schon beim Arzt? Das blaue Auge sieht ziemlich übel aus.«
»Es ist nicht mein erstes blaues Auge und wahrscheinlich auch nicht
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