Bride 02 - Tempel Der Liebe
ihre Kinder.«
Als der Eingang zur Höhle sicher verschlossen war, nahm Kyle den Verband und die Perücke ab. Die Verkleidung war eine endlose Quälerei, und wenn er endlich wieder er selbst sein durfte, war die Erleichterung groß. Dann lohnte sich die Quälerei beinahe. Wann immer er die Verkleidung ablegte, konnte er nachvollziehen, wie Troth sich fühlte. Sie hatte sich die letzten fünfzehn Jahre verkleiden müssen. Und im Gegensatz zu ihm hatte sie sich dieses Schicksal nicht einmal ausgesucht. Kein Wunder, dass sie sich nach Britannien sehnte und endlich eine Frau sein wollte.
Sie teilten sich die Aufgaben und verrichteten sie schweigend, wie gute Freunde. Dann setzte sich jeder zum Essen auf eine gefaltete Decke. Kyle konnte sich nicht erinnern, wann er das letzte Mal so zufrieden gewesen war.
Nach der einfachen Mahlzeit sagte er nachdenklich: »In vielen, vielen Jahren, wenn ich alt und grau bin, werde ich an diese Nacht zurückdenken. Ich werde mich daran erinnern, welch großes Glück ich gehabt habe.«
»Glück?«
Er deutete mit der kleinen Teetasse auf die Höhle, die sie umgab. »Ich esse im Land hinter der Morgenröte an einem faszinierenden, geheimnisvollen Ort zu Abend und bin in Begleitung einer wunderbaren, erstaunlichen jungen Frau. Als Junge habe ich von solchen Abenteuern geträumt, aber nie geglaubt, dass ich sie je erleben würde.«
Sie senkte peinlich berührt den Blick. In Macao hatte sie mit angehört, wie europäische Kaufleute den Damen allerlei Schmeichlerisches erzählten. Die Komplimente waren charmant, jedoch ohne Bedeutung. »Bist du deshalb auf Reisen gegangen - auf der Suche nach Abenteuern?«
»Nur zum Teil.« Sein Blick schien in die Ferne zu schweifen. »Schon als kleines Kind faszinierte mich der Globus mit seinen vielen leeren, unerforschten Stellen. Auf sehr alten Landkarten stand zum Beispiel etwas wie: >Hier leben Drachen.< Ich sehnte mich danach, die Drachen mit eigenen Augen zu sehen. Aber ich glaube, dass es einen tieferen Grund gibt. Ich wollte reisen, um herauszufinden ... wer ich wirklich bin.«
Sie lächelte verschmitzt. »Bist du nicht Kyle Renbourne, Viscount Maxwell und der Erbe des Earl of Wrexham?«
»Das ist nur der offensichtliche Teil von mir.« Er beugte sich vor und verteilte den restlichen Tee auf ihre Tassen. »Von mir wurde immer so viel erwartet, dass ich nie sicher war, was ich wirklich wollte. Jahrelang habe ich meinen Bruder beneidet. Da er jünger ist als ich, besaß er schon immer viel mehr Freiheit - und doch hätte er seine Freiheit sofort gegen meine Verpflichtungen getauscht.«
»Ihr scheint wie zwei Esel zu sein, die an ihren Stricken ziehen, um an das Gras heranzukommen, das außerhalb ihrer Reichweite liegt.«
Er schmunzelte. »Genau. Schließlich wurde mir mit Constancias Hilfe bewusst, dass ich selbst der Schmied der vielen Ketten war, die mich gefangen hielten. Nachdem sie gestorben war, löste ich mich von den Ketten und machte mich auf den Weg, der mich hierher geführt hat.«
»Hast du auf deinem Weg herausgefunden, was du wirklich willst?«
»Das ist ja das Verrückte. Früher empfand ich die Verpflichtungen, die mich erwarteten, als etwas sehr Belastendes. Ich werde bald einen großen Landsitz führen, später wahrscheinlich einen Sitz im Oberhaus einnehmen und Entscheidungen fällen, die das Wohl der ganzen Nation betreffen. Aber jetzt freue ich mich darauf. Es wird ständig neue Herausforderungen geben. Ich glaube, ich werde meinen Pächtern und meinen Landsleuten ein guter Diener sein.« Er lachte kurz über sich selbst. »Klingt recht wichtigtuerisch, nicht wahr?«
Sie betrachtete die klaren Konturen seines Gesichts. Er könnte niemals wichtigtuerisch und schon gar nicht langweilig klingen. »Mein Vater sprach oft von Mary Stuarts Wahlspruch: >In meinem Ende liegt mein Anfang.< Das trifft auch auf dich zu - du bist um die Welt gereist, um zu erkennen, dass dein Schicksal dort liegt, wo du begonnen hast. Du hast Glück.«
»Meistens.« Er blickte düster vor sich hin und sie wusste, dass er an Constancia dachte.
»Obwohl du nicht mehr die Liebe deines Lebens finden wirst, hast du ein Zuhause, eine Familie, eine Aufgabe«, sagte sie ruhig. »Ich beneide dich darum.«
Sein Gesichtsausdruck wurde weicher. »Ich werde dir helfen, ein Zuhause in Britannien zu finden.«
Ihre Blicke trafen sich über dem ausgehenden Feuer. Sie wünschte, sie könnte die Wärme in seinen Augen für Liebe halten. Aber so töricht war sie
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