Bride 03 - Die Entfuehrte Braut
befand.
Nachdem sie Maduri verlassen hatte, gewann sie Schritt für Schritt ihr Gleichgewicht zurück. Trotz allem hatte sie immer ein wenig das Gefühl, dass Gavin nur aus Mitleid mit ihr zusammen war, so als ob er sie nur beschützen wollte, weil er zu sehr Ehrenmann war, um sich angewidert von ihr abzuwenden. Sie fühlte sich ihm gegenüber nicht ebenbürtig. Das Verhältnis von Geben und Nehmen schien ihr nicht ausgeglichen. Vielleicht brauchten die Frauen ja das Gefühl, von einem liebenden Mann umworben zu werden, damit sie sich bei der Hochzeit ihrem Wert als Frau bewusst wurden.
Zumindest mit Edmund war es ihr so ergangen. Das allein hatte sie davor bewahrt zu zerbrechen, als er sie betrog. Gavin hatte ihr nie den Hof gemacht — ihre Heirat war das Ergebnis seines Pflichtgefühls und ihrer Verzweiflung.
Kein Wunder, dass sie sich ihren Gefühlen Gavin gegenüber im Unklaren war. Doch eines war ihr sehr bewusst — wie dankbar sie war! Sie schätzte seinen Charakter und seine Anmut und wie er mit Katie umging. Langsam legte sich ihre Furcht, und sie fühlte sich von ihm angezogen, auch wenn sie sich noch nie gefragt hatte, ob sie ihn liebte. Die Abgeschlossenheit und Einsamkeit der Gefangenschaft hatten ihr Klarheit verschafft.
Ja, sie liebte ihn ebenso sehr, wie sie ihn anbetete. Sie genoss es, mit ihm zu reden, zu lachen oder einfach nur still neben ihm zu sitzen. Sie war so froh, dass er sie als ebenbürtig ansah — was noch kein Mann vor ihm getan hatte. Sie begehrte ihn bis zum Wahnsinn. Bisher war sie sich nicht bewusst gewesen, wie schön ein Männerkörper sein konnte oder dass sexuelle Erfüllung untrennbare seelische Bande knüpfte. Nachts, wenn sie schlief, träumte sie davon in, seinen Armen zu liegen. Bei ihm hatte ihre Seele Frieden gefunden.
Sie musste sich befreien, damit sie ihn befreien konnte.
Sie nahm an, dass es genügen würde, ein Dutzend Steine zu entfernen, um durch das entstandene Loch hindurchzuschlüpfen. Um keinen Verdacht zu erregen, wagte sie es nicht, die lockeren Steine herauszunehmen. Deshalb entfernte sie nur so viel Mörtel wie nötig und hörte auf, sobald die Steine zu locker wurden. Ein paar zerfetzte Lumpen verschlossen die entstandenen Lücken notdürftig und würden einer oberflächlichen Betrachtung standhalten.
Sie hoffte mit etwas Glück alle Steine auf einmal herauszustoßen, wenn die Zeit gekommen war. Mit dem stumpfen, zurechtgebogenen Löffel ging die Arbeit leider nur quälend langsam voran.
Als sie herannahende Schritte hörte, erhob sie sich rasch aus ihrer gebeugten Haltung. Ihre verspannten Muskeln schmerzten stark. Frederica Pierce machte einen ihrer allzu häufigen Besuche. Es war einfach, ihre leichten Schritte von denen von Mr. Jones zu unterscheiden. Es war schon erstaunlich, wie gut man sich an die Umgebung anpasste, wenn es so wenig Ablenkung gab.
Nachdem sie sich gestreckt und das Sägemehl abgeklopft hatte, legte Alex sich auf die Pritsche und tat so, als ob sie schlafen würde. Als Frederica erschien, setzte sie sich langsam auf, gähnte vornehm hinter vorgehaltener Hand, gerade so, als ob sie sich gelangweilt hätte. »Passen Sie auf, wo Sie hintreten, Frederica. Es könnten tote Ratten herumliegen.«
Ihr Gegenüber holte erschreckt Luft und machte einen Schritt zurück, wobei sie beinahe mit der Wache zusammenstieß. »Wo?«
»Eine Katze lässt sie oft genau an der Stelle liegen, an der Sie gerade stehen.« Alex beobachtete mit Genugtuung, wie Frederica aufschrie und den Rock zusammenraffte.
Es lag tatsächlich eine tote Ratte auf dem Boden. Wortlos brachte Mr. Jones Alex das Essen und packte die Ratte in einen Sack, den er zu diesem Zweck mitgebracht hatte. Als die Ratte außer Sichtweite war, sagte Alex: »Ich bin sicher, Sie haben schlechte Nachrichten für mich. Bitte haben Sie keine Hemmungen, sie mir zu eröffnen. Ich kann ein wenig Zerstreuung gebrauchen.«
Frederica warf ihr einen giftigen Blick zu: »Das Verfahren gegen Seabourne wird morgen eröffnet.«
So ba ld schon? »Ich bin mir sicher, er wird froh sein, wenn es vorbei ist und er wieder ein freier Mann ist.«
»Die Öffentlichkeit ist der Auffassung, dass er schuldig ist. Die meisten Lords übrigens auch. Sie können es kaum abwarten, ihn des Mordes an seiner liebenswürdigen Frau zu überführen. Anscheinend kennen nur wenige Sie persönlich.«
Alex lachte. »Tatsächlich kennen mich viele von ihnen. Wenn sie auch eine etwas verklärte Vorstellung von mir
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