Bride 03 - Die Entfuehrte Braut
Ehre das normale Maß der Pflichterfüllung überschreiten.« Sie verzog den Mund. »Haben Sie sich, nach allem, was Sie durchgestanden haben, nicht gewünscht, Sie hätten den Sklavenmarkt niemals besucht?«
Er war zu ehrlich, um zu lügen, und zögerte mit der Antwort. »Für mich wäre es einfacher gewesen, wenn ich Sie nicht gesehen hätte, aber wer sagt, dass das Einfache besser ist? Dinge von Wert müssen erarbeitet werden.«
»Es kann nicht die bessere Lösung sein, wenn Sie Ihre Unabhängigkeit aufs Spiel setzen.«
»Auch wenn ich in den Dienst des Sultans treten muss, wird sich meine Situation sehr von der Ihren unterscheiden. Ich werde wohlhabend sein, Einfluss haben und beträchtliche Freiheiten und Annehmlichkeiten.« Er hob die Achseln. »Vielleicht ist es sogar besser für mich, wenn ich im Osten bleibe. Es könnte eine Fügung Gottes sein, mich von London fern zu halten, wo ich mir vielleicht den Schädel einrenne, wenn ich gegen Mauern laufe.«
»Sie rechnen mit Schwierigkeiten?«
In einem seltenen Gefühl der Unsicherheit fuhr er sich mit den Fingern durch das Haar. »Schwierigkeiten eigentlich nicht, aber — ich hasse England genauso sehr, wie ich es liebe. Ich habe mich danach gesehnt, wieder zurückzukehren, aber es ist auch töricht von mir, einer Illusion nachzulaufen.«
»Wenn die Mauern zu hart sind, könnten Sie nach Amerika zurückkehren. Soweit ich Sie verstanden habe, lieben Sie Ihre Wahlheimat, wenn auch nicht bedingungslos.«
Sein Gesichtsausdruck hellte sich mit einem Lächeln auf. »Sie haben Recht. Wenn ich die alten englischen Geister vertrieben habe, kehre ich nach Hause zurück.«
Sie dachte an die bis jetzt heldenhaft bestandenen
Prüfungen und sagte: »Ich bin sicher, Sie werden diese Geister besiegen, nachdem Sie bis jetzt so erfolgreich gekämpft haben.«
»Geister gehören eigentlich nicht zu meinem üblichen Repertoire. Mit Teekisten und Wirbelstürmen dagegen komme ich ausgezeichnet zurecht.«
Sein scherzender Ton löste die Spannung und ließ wieder die alte Vertrautheit zwischen ihnen aufkommen. Sie blickte in seine dunklen Augen und bedauerte es fast, dass diese ungewöhnlich schönen Momente nur so kurz waren. Wenn alles gut ging, würden sie sich in zwei Tagen an Bord der Helena befinden.
In Gegenwart seiner Mannschaft würden sie beide wieder ihr wirkliches Leben aufnehmen, er als Kapitän und sie als englische Lady, auch wenn sie sich innerlich unwiderruflich verändert hatte. Gefühlsmäßig würde zwischen ihnen ein sicherer Abstand bestehen.
Aber heute Nacht gab es diesen Abstand nicht. In den letzten Tagen und Nächten war ihr der Rhythmus seines Atems vertraut geworden. Sie kannte jede Pore in seinem Gesicht, aber vor allem hatte sie seinen trockenen Humor schätzen gelernt. Das Abenteuer Leben hatte sie zu Weggefährten gemacht. Niemals würde sie ihn vergessen, was auch in Zukunft geschehen mochte. Sie hingegen konnte ihn nicht so tief beeindrucken, denn er war ein Mann mit einer bewegten Vergangenheit. Die Gefahren, die er um ihretwillen auf sich genommen hatte, würden vielleicht den Schmerz um seine verlorene Liebe mildern.
Ihre Gedanken waren abgeschweift und kehrten jetzt wieder in die Wirklichkeit zurück. »Ich hoffe nur, dass Ihre letzte Aufgabe ein Wettkampf im Schwimmen ist, Gavin.«
Er lachte. »Das hoffe ich auch. Das wäre ein passender Abschluss.«
Jedes Finale war ihr recht, wenn sie beide nur sicher von Maduri abreisten.
Gavins Arm schmerzte noch vom pentjak, aber sonst fühlte er sich wohl und hatte sich seelisch auf den letzten Kampf vorbereitet. Starr vor Anspannung stand Alex an seiner rechten Seite. In ihrem neuen kebaya und Sarong aus schimmernder gemusterter Seide sah sie atemberaubend schön aus. Kasan wirkte äußerlich gefasst und schien den Zorn über seine Niederlage gemeistert zu haben.
Als Gavin den elfenbeinernen Dodekaeder zum letzten Wurf hochnahm, sagte Kasan: »Mir wird die Aufregung fehlen, wenn das Spiel beendet ist. Sheng Yu aber wird selig sein, dass ich mich wieder den Geschäften des Königreichs zuwende.«
»Mein persönliches Maß an Aufregung ist gedeckt«, erwiderte Gavin darauf. Innerlich Gebete sprechend schüttelte Gavin den Würfel noch einmal in der Mulde der ihn umschließenden Handflächen und warf.
Sheng Yu blickte auf das Symbol. »Anbetung der Göttin.«
Bevor Gavin fragen konnte, was dies zu bedeuten habe, sagte Kasan kühl: »Ihre Glückssträhne hält an, Captain. Die Götter
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