Bride Trilogie 01 - Bluete der Zaertlichkeit
dann setzte er seine Suche nach Lady Meriel fort, unterbrach sie aber kurz, um auch die Abfälle beim grünen Fuchs aufzulesen.
Der Fuchs lief geradewegs auf die versammelten Schachfiguren zu, die aus dem Spiel >entfernt< worden waren.
Als Dominic sich dem Schachbrett näherte, wurde er gewahr, wie groß die einzelnen Teile waren. Sogar die Bauern konnten ihm über den Kopf sehen. Die Springer waren etwas kleiner, aber kunstvoll geschnitten, mit breiten Pferdeköpfen und angedeuteten Scheuklappen. Er war überzeugt, dass in ganz Britannien kein schönerer Garten dieser Art zu finden war.
Einige der Figuren hätten in Marmor gemeißelt sein können, andere wiederum wirkten ziemlich zottig. Die Einhaltung der Umrisse musste einen riesigen Aufwand an Arbeit erfordern, vor allem im Frühjahr, wenn die Zweige austrieben.
Er bestaunte gerade den fein gezackten Kamm eines Hahns, als er leise, anrührende Töne hörte, die aus nächster Nähe erklangen. Kein Vogelgesang; vielleicht war es ein besonderes Musikinstrument. Eines, das fast wie eine menschliche Stimme klang.
Neugierig folgte er der Musik und bewegte sich lautlos auf dem samtweichen Gras. Dann tauchte er zwischen zwei Bauern auf und blieb wie versteinert stehen.
Lady Meriel sang.
Sie stand mit dem Rücken zu ihm, zwei Quadrate von ihm entfernt und beschnitt die weiße Königin mit einer Schere. Lady Meriels schlanke Gestalt war mit einer blauen Tunika und einem Rock bekleidet, ähnlich dem Gewand, das sie am Vortag getragen hatte, aber das bemerkte er kaum. Sie sang!
Er dachte über dieses Phänomen nach und dabei fiel ihm ein, dass bisher kein Mensch gesagt hatte, sie sei stumm, nur dass sie nicht sprechen würde, was nicht das Gleiche war. Ihre Stimme war weich und zart. Ein Zeichen dafür, dass sie regelmäßig benutzt wurde, auch wenn sie nur in der Badewanne sang. Die Melodie hatte einen sehnsüchtigen Klang und erinnerte ihn an eine Harfenistin, die er in Irland gehört hatte. Meriel gebrauchte keine Worte. Ihr Gesang war ein Band betörender Klänge, das zu ihm herüberwehte.
Er fand, dass es Zeit war, sich bemerkbar zu machen, und trat nach vorn. »Guten Morgen, Meriel. Ich bin gekommen, um Ihnen bei der Arbeit zu helfen.«
Mit der scharfen Schere schnitt sie ein Zweiglein mit tödlicher Präzision ab, wandte sich aber nicht zu ihm um, obwohl sie wusste, dass er da war. Er sah es an der kaum merklichen Anspannung ihrer Schultern. Weniger abweisend verließ Roxana ihr Schattenplätzchen neben der Königin und trottete schwanzwedelnd auf ihn zu, ließ sich hinter den Ohren kraulen und legte sich dann wieder ins Gras.
Meriel hatte bereits einige der Schachfiguren zurechtgeschnitten. Er sammelte die Schnipsel ein, stopfte sie in den Sack, als ihr Gesang wieder einsetzte. Er lauschte gebannt, während er ihr beim Schneiden zusah. Schmunzelnd sah er, dass der Kopf der Königin recht unregelmäßig aussah, da Meriel nicht hoch genug hinaufreichen konnte, um ihn zu beschneiden. Hier bot sich die Gelegenheit, sich nützlich zu machen.
Verschiedene Werkzeuge lagen bei dem schwarzen Läufer. Er suchte sich eine Heckenschere mit langen Griffen aus und ging zu der Seite der weißen Königin, die Meriel gegenüber lag. Er streckte sich so weit er konnte und schnitt einen überstehenden Buchsbaumzweig ab.
Das Singen hörte sofort auf. Sie wirbelte um die Figur herum und hielt ihm die Schere wie eine Waffe entgegen. Der Blick schoss zur Krone der Buchsbaumkönigin hinauf.
»Ich habe nichts beschädigt«, sagte er versöhnlich. »Auch ein nutzloser Gentleman kann diese Arbeit tun, wenn die Silhouetten so genau wie hier vorgegeben sind.«
Ihr Blick streifte ihn, aber wieder nur so kurz, dass es ihm nicht gelang, ihr in die Augen zu sehen. Aber sie schien zufrieden. Sie kehrte auf ihre Seite der Figur zurück und setzte ihre Arbeit mit metallischem Klappern der Schere fort. Kein Gesang mehr, zu seinem Bedauern.
Es war ein warmer sonniger Tag. Da der Rock hinderlich war, wenn er die Arme über den Kopf hob, zog er das Kleidungsstück aus und warf es zur Seite, bevor er die Arbeit wieder aufnahm. Mit dem oberen Teil der Königin gab er sich größte Mühe, denn Lady Meriel würde ihm die Hölle heiß machen, wenn er ein so wichtiges Körperteil verschandelte.
Vor Angst, einen falschen Schnitt zu machen, arbeitete er so konzentriert, dass er beinahe über Meriel gestolpert wäre, als er sich langsam um die Schachfigur herumarbeitete. Weil er nicht auf ihre
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