Bride Trilogie 01 - Bluete der Zaertlichkeit
sie nie in eine Anstalt gebracht hatte. Kein vernünftiger Mensch würde es über sich bringen, dieses wunderschöne Wesen in einen Käfig zu sperren. Hier tat sie niemandem etwas zuleide und erfreute sich vermutlich auf eigene Art ihres Lebens.
Obwohl er sich sehr beeilt hatte, zu den Gartenhäuschen zu gelangen, traf er Kamal dort allein an. Der Inder saß mit überkreuzten Beinen auf der Erde vor dem Glashaus. Er hatte die Augen geschlossen und die Hände entspannt in den Schoß gelegt. Dominic zögerte. Allem Anschein nach war Kamal in ein Gebet vertieft und er wollte ihn nicht stören.
Kamais Augen öffneten sich. »Guten Morgen, Mylord«, sagte er.
Dominic erinnerte sich, wie Kamal ihn am Tag zuvor begrüßt hatte, und drückte die Handflächen vor der Brust zusammen und neigte den Kopf. »Namaste, Kamal. Ist Lady Meriel hier vorbeigekommen?«
Der ältere Mann stand auf. »Sie arbeitet heute Morgen im Figurengarten.«
Im Figurengarten? Das interessierte ihn. »Besteht die Möglichkeit, dass ich ihr helfen kann?«
Kamal blickte ihn prüfend an. »Nur als Knecht - und das ist unter der Würde von Mylord.«
Dominic machte eine ungeduldige Handbewegung. »Mir ist am Beisammensein mit der Lady gelegen und nicht an meiner Würde. Wie kann ich ihr behilflich sein?«
»Sie schneidet die Eibenhecken«, antwortete Kamal und blickte ihn beifällig aus seinen dunklen Augen an. »Die abgeschnittenen Äste müssen entfernt werden. Wenn Sie dazu bereit sind, nehmen Sie einige Säcke aus dem Gartenhäuschen dort drüben mit.«
Dominic ging in die gezeigte Richtung. Dann blieb er stehen. Die Tätowierungen auf Kamais Wangen schienen ein wenig verblasst zu sein. War das möglich? »Verzeihen Sie meine Neugier ... es ist wegen der Tätowierungen. Sie sind sehr ... ausgefallen. Ungewöhnlich.«
»Tätowierungen? Ah, die Mehndi.« Kamal streckte die Hände aus. Auch da schienen die Muster heller als am Tag zuvor zu sein. »Sie sind mit Henna gemalt. Ein Brauch meiner Heimat. Nach ein bis zwei Wochen sind sie verschwunden.«
»Ich verstehe.« Dominic war erleichtert, dass die Verzierungen ohne schmerzliches Tätowieren auf die Haut gelangt waren. »Haben Sie die selbst gemalt?«
Kamal schüttelte den Kopf. »Das war die junge Herrin.«
»Lady Meriel?« Überrascht schaute sich Dominic die Zeichnungen näher an. Diese komplizierten Formen verlangten ein hohes Maß an Geschicklichkeit. »Hat sie das von Ihnen gelernt?«
»Ja. Als Kind hatte sie in Indien Mehndi gesehen. Als sie mit Beerensaft zu malen begann, zeigte ich ihr lieber gleich, dass sich Henna besser dafür eignete.« Mit einem kleinen Lächeln hob Kamal eine bemalte Hand. »Jetzt hat sie ihren Lehrer überrundet.«
»Gestern hatte sie eine Art Armband am Handgelenk, das ich für eine Tätowierung hielt. Wieder eins von diesen ...« Er suchte nach dem Wort. »...Mehndi?«
»Ja. Sie war zum Spielen aufgelegt.«
Froh, dieses albtraumhafte Bild von dem kleinen Mädchen, das mit Nadeln gestochen wurde, aufzugeben, trat Dominic in das Gartenhaus. Ein helles, stachliges Etwas lag zusammengerollt auf einem Stapel großer Rupfensäcke. Verwundert ging er wieder hinaus und meinte: »Hier drinnen schläft ein weißer Igel.«
»Der Liebling der jungen Herrin. Schneeball. Sehr selten, die weißen. Sie hat ihn verletzt gefunden und in einem Käfig aufgezogen. Jetzt lebt er frei.« Kamal zwinkerte belustigt. »Er findet das Leben hier viel zu schön, um das Weite zu suchen.«
In Dominics Fantasie entstand ein neues Bild. Dieses Mal suchte Meriel eifrig Regenwürmer und Raupen, um damit einen jungen Igel zu füttern. Das Bild gefiel ihm. Aber wie kam er jetzt an die Säcke, ohne Schneeball zu stören?
Er überlegte eine Weile, dann nahm er alle vier Zipfel des oberen Sackes, fasste sie mit einer Hand zusammen, und hob den Igel in die Höhe, während er mit der anderen Hand ein halbes Dutzend Säcke vom Stapel zog. Dann setzte er das Bündel mit dem Igel wieder auf dem Stapel ab und strich die Enden flach.
Aufgeschreckt blinzelte ihn das Tierchen mit roten Augen an und stellte kurz die Stacheln auf. Dann kringelte der Igel sich wieder zusammen und schlief weiter.
Schmunzelnd warf Dominic die Säcke über die Schulter und machte sich auf den Weg zum Ziergarten. Die Anlage befand sich am anderen Ende des Gartenkomplexes. Aus seiner Karte entnahm er, dass die inneren Gärten wie eine Zimmerflucht angelegt waren, die sich um ein Mittelstück gruppierten, wie zum Beispiel
Weitere Kostenlose Bücher