Bridget Jones 03 - Verrückt nach ihm
wagte es aber nicht, Mr Wallaker anzusehen.
Erst als ich im Auto saß, fiel mir ein, dass ich Mr Pitlochry-Howard noch gern gefragt hätte, wie man Billy besser bei den Hausaufgaben unterstützen könnte. Oder notfalls, wenn Mr Pitlochry-Howard beschäftigt war, Mr Wallaker.
Doch im Klassenzimmer unterhielten sich Mr Pitlochry-Howard und Mr Wallaker bereits mit Nicolette und ihrem gutaussehenden Mann, der seiner Frau die Hand um die Schulter gelegt hatte, wodurch die beiden sichtlich als Einheit auftraten.
Man soll ja nicht lauschen, ganz besonders nicht, wenn besorgte Eltern sich über ihre Sprösslinge erkundigen, aber bei Nicolettes greller Stimme ließ sich das kaum vermeiden.
»Ich frage mich, ob Sie Atticus mit so viel Förderung nicht etwas … überfordern«, sagte Mr Pitlochry-Howard so leise und verbindlich wie möglich. »Bei derart vielen außerschulischen Aktivitäten und Playdates kann er eigentlich nichts wirklich gründlich machen. Entsprechend niedrig ist seine Frustrationstoleranz. Wenn er nicht überall der Erste ist, wirft er sofort die Flinte ins Korn.«
»Gut, dass Sie das ansprechen. Wo steht er denn in der Klasse?«, fragte Nicolette. »Wie weit ist er von der Spitzengruppe entfernt?«
Sie versuchte, einen Blick auf die Liste zu erhaschen, die Mr Pitlochry-Howard mit seinen gefalteten Händen bedeckte, und da das nicht ging, warf sie gereizt ihre Haare nach hinten. »Warum erfahren wir eigentlich nie den relativen Leistungsstand der Kinder? Ich glaube, das würde alle Eltern interessieren.«
»Wir vergeben keine Tabellenplätze, Mrs Martinez«, sagte Mr Pitlochry-Howard.
»Und warum nicht?«, fragte sie scheinbar interessiert, obwohl das Messer schon gezückt war, mit dem sie Mr Pitlochry-Howard gleich in Streifen schneiden würde.
»Es geht uns in erster Linie um die individuelle Leistungsförderung der Kinder.«
»So? Dann möchte ich Ihnen jetzt etwas erklären«, sagte Nicolette. »Ich war einmal CEO einer großen Fitness-Kette hier in England und Nordamerika. Zurzeit bin ich CEO einer Familie. Meine Kinder sind das wichtigste, komplexeste und aufregendste Produkt, das ich je entwickelt habe. Aus diesem Grund habe ich wohl das Recht, ihre Position im Vergleich zu ihren Mitbewerbern auf einem insgesamt schwierigen Marktumfeld zu erfahren. Ohne solche Kennzahlen kann ich die internen Abläufe für eine verbesserte Entwicklung nicht optimieren. Verstehen Sie, was ich meine?«
Wortlos verfolgte Mr Wallaker die Auseinandersetzung.
»Ein gesunder Ehrgeiz ist das Eine«, begann Mr Pitlochry-Howard nervös. »Aber wenn eine Obsession daraus wird, wenn die Position auf einer Leistungstabelle den Kindern jede Freude am Lernen austreibt, dann …«
»Sie wollen also behaupten, seine außerschulischen Aktivitäten und Playdates seien eine Belastung ?«, sagte Nicolette.
Ihr Mann legte ihr beruhigend die Hand auf den Arm. »Darling, lass doch …«
»Diese Jungen brauchen eine universelle Ausbildung und Förderung. Dazu gehört ihr Flötenunterricht ebenso wie ihr Fechtunterricht. Außerdem erschließt sich mir nicht, wie man soziales Engagement als Playdates abtun kann. Im Gegenteil, es ist eine Übung in Teamfähigkeit.«
»Es sind Kinder, Herrgott!«, fuhr Mr Wallaker dazwischen. »Keine Industrieprodukte mit mehr oder weniger viel Potenzial, das es zu optimieren gilt. Es ist gar nicht nötig, permanent ihr Ego zu streicheln. Was sie hingegen sehr wohl brauchen, ist Selbstvertrauen, Spaß an dem, was sie tun, Zuneigung, Freundschaft und ein realistisches Selbstwertgefühl. Das heißt, sie sollen begreifen, dass es immer Leute gibt, die besser oder schlechter sind als sie selbst, und dass ihr persönlicher Wert aber genau darin liegt, sich nicht vom Ehrgeiz zerfressen zu lassen. Sie sollen sich einfach im Rahmen ihrer Möglichkeiten entwickeln.«
»Sorry, habe ich Sie richtig verstanden?«, sagte Nicolette. »Sie meinen, sie sollen erst gar nicht versuchen, immer der Beste zu sein? Interessant! Vielleicht sollten wir uns besser nach einem Platz in der Westminster School umsehen.«
»Nein, aber wir sollten bedenken, welche Art Erwachsene einmal unsere Schule verlassen«, sagte Mr Wallaker unbeirrt. »Da draußen weht ein rauer Wind. Doch Erfolg im Leben misst sich nicht daran, ob sie immer gewinnen, sondern wie sie Niederlagen verarbeiten. Gefragt ist Resilienz , wenn Sie wissen, was das ist. Die Fähigkeit, wieder aufzustehen, wenn man am Boden ist, und zwar ohne gleich das ganze
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