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Briefe an einen Blinden - Dr Siri ermittelt

Titel: Briefe an einen Blinden - Dr Siri ermittelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Cotterill
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Um für diese Aufgabe hinreichend gerüstet zu sein, machte er noch rasch einen Abstecher in die Kantine und vertilgte eine Schüssel Nudeln. Das waren die Führungsqualitäten, die er an sich selbst am meisten schätzte.
    Als er gegen ein Uhr nachmittags in die Pathologie zurückkam, standen seine Kollegen vor der Wandtafel und wiegten sich wie in Trance hin und her.
    »Habe ich etwas verpasst?«, fragte er.
    Sie würdigten ihn keines Blickes. Er konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die beiden seine Abwesenheit gar nicht bemerkt hatten.
    »Wir haben es, Siri«, sagte Phosy.
    »Was?«
    »Ihre Dtui ist phänomenal, ein Genie in Weiß. Erklären Sie es ihm, Dtui.«
    Dtui trat mit einem frischen Stück Kreide an die Tafel und zog eine senkrechte Linie zwischen die beiden Buchstabenkolonnen.
    HM BS
    MA SS
    MA DB
    GN KP
    GN SP
    HM KK
    HM PK
    BH DK
    MA SK
    MA KK
    »Der Hinweis auf das Militär hat mich auf die Idee gebracht«, begann sie. »Wie gesagt, habe ich Englisch mit Hilfe medizinischer Lehrbücher gelernt, darum musste ich die Nase ein Weilchen ins Wörterbuch stecken. Dabei habe ich mich gefragt, ob die Buchstaben …« Sie hieb so heftig auf die Tafel ein, dass die Kreide zerbrach. »Mist. Ich habe mich gefragt, ob die Buchstaben vielleicht etwas mit militärischen Rängen zu tun haben. Also habe ich alle Ränge nachgeschlagen, und siehe da, die ersten beiden Buchstaben in der Kolonne stimmten damit überein: Major, General, Hauptmann und Befehlshaber.«
    »Gut gemacht«, sagte Siri und trat einen Schritt vor.
    »Blieb die zweite Kolonne. Die Logik ließ eigentlich nur den Schluss zu, dass es sich bei den Buchstaben um die Initialen der entsprechenden Offiziere handeln musste.«
    »Und genau so war es denn auch«, setzte Phosy hinzu. »Ich habe den Rest des Vormittags ein wenig herumtelefoniert, um herauszufinden, in welchen Provinzen die fraglichen Bataillone stationiert sind. Es passt alles zusammen. Nachdem Dtui mir ihre Theorie auseinandergesetzt hatte, habe ich einen alten Freund angerufen, um den Namen des Generals des Sechsten Bataillons Süd in Erfahrung zu bringen. Die Armee gibt solche Informationen zwar nur ungern heraus, aber mein Kontaktmann schuldete mir noch einen Gefallen.«
    »Und seine Initialen lauteten zufällig SP«, ergänzte Siri.
    »Souvan Phibounsouk.«
    »Meine Güte.« Siri setzte sich auf das Spülbecken und schlug die Hände über dem Kopf zusammen. »Wir sind im Besitz einer vertraulichen Liste militärischer Stellungen und der Namen hochrangiger Offiziere – chiffriert und noch dazu in unsichtbarer Tinte. Denken Sie, was ich denke?«
    »Da schmiedet jemand ein Komplott«, sagte Phosy. »Und das ist die Liste der Beteiligten.«
    »D-Day«, sagte Siri in Gedanken vor sich hin. »Das ist es. Ein Staatsstreich. Und der 30. August ist das anvisierte Datum für den Putsch.«
    »Sieht ganz so aus«, bekräftigte Phosy.
    »Das ist ja ungeheuerlich«, meinte Dtui. »Was machen wir denn jetzt? An wen sollen wir uns wenden?«
    »Gute Frage, Genossin Dtui«, sagte Siri und starrte auf die Liste an der Tafel.
    »Na, an die Staatssicherheit, natürlich«, sagte Phosy. Sie hatten unbewusst zu flüstern begonnen. »Die ist für solche Fälle zuständig.«
    »Ich fürchte, so einfach ist das nicht, Phosy. Sehen Sie sich die Liste doch an. Diese Leute haben Generäle in ihren Reihen. Die Verschwörung könnte bis in höchste Kreise reichen. Wenn wir dem Falschen mitteilen, was wir wissen …«
    »Liegen wir über kurz oder lang mit Wackersteinen an den Füßen auf dem Grund des Mekong. Flusskrebse werden sich durch unsere Eingewei…«
    »Vielen Dank, Schwester Dtui«, sagte Siri lächelnd. »Ein bisschen dramatisch, vielleicht, aber die Richtung dürfte stimmen. Fest steht, dass wir nicht wissen, wem wir vertrauen können. Und um ehrlich zu sein, haben wir nicht den geringsten Beweis dafür, dass das, worauf wir hier gestoßen sind, tatsächlich das ist, wonach es aussieht.«
    »Ich bitte Sie, Doc. Was soll es denn sonst sein? Eine Geburtstagseinladung?«
    »Zugegeben, es sieht verdächtig aus, trotzdem sollten wir nichts überstürzen.«
    »Was schlagen Sie vor?«, fragte Phosy.
    Der Polizist schwankte noch immer wie eine Palme im Wind. Siri blickte in die Gesichter seiner Freunde, die vor Übermüdung wie versteinert wirkten.
    »Zunächst einmal würde ich Ihnen beiden dringend empfehlen, nach Hause zu gehen und sich aufs Ohr zu legen. Wir brauchen einen wachen Verstand, und die Sache

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