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Briefe an einen Blinden - Dr Siri ermittelt

Titel: Briefe an einen Blinden - Dr Siri ermittelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Cotterill
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nicht mehr an mich?«
    Siri musterte den dicken Mann und kramte in seinem Gedächtnis. Falls sie sich tatsächlich schon einmal begegnet waren, musste es sehr lange her sein und … Da fiel es ihm wieder ein.
    »Die Schule in Tum Piu«, sagte Siri. »Sie haben damals – was war es noch gleich? – Laotisch unterrichtet?«
    Ja, Siri konnte sich an ihn entsinnen: ein nervöser, paranoider Pauker, der jeden zweiten Schüler rechter Sympathien verdächtigt hatte. Seit damals hatte er zwar mächtig zugelegt, aber der nervöse Tick unter seinem Auge war ihm geblieben. Siri hatte seinerzeit als Chirurg im Höhlenkrankenhaus in Piu gearbeitet, einem Lazarett im Nordosten des Landes, an das man sich vor allem deshalb erinnerte, weil beim Raketenangriff eines Nomad Fighters sämtliche Mitarbeiter und Patienten bei lebendigem Leib verbrannt waren. In der Schule im Tal waren die Kinder des Krankenhauspersonals und der umliegenden Dörfer unterrichtet worden. Eine der vielen Launen des Schicksals, die Siri im Lauf der Jahre immer wieder das Leben gerettet hatten, wollte es, dass er an fraglichem Tag nach Xam Neua beordert worden war, um den Präsidenten zu verarzten.
    Nach allem, was man hörte, war Katay ein tüchtiger Lehrer und engagierter Parteigänger gewesen, dennoch war Siri entsetzt, ihn hier als Gouverneur wiederzutreffen. Zwar hatte es bei der Machtübernahme durch die Pathet Lao im ganzen Land zahlreiche freie Posten und nur wenige vertrauenswürdige Kader gegeben, die geeignet waren, sie zu besetzen. Aber Katay hatte kaum das Zeug zum Gouverneur.
    »Laotisch und Politische Ideologie«, sagte er stolz, als ob das der einsame Höhepunkt seiner Karriere gewesen und es seither stetig bergab gegangen wäre. »Lang, lang ist’s her.«
    »Sie haben es weit gebracht, Genosse.«
    Katay lachte verlegen und senkte die Stimme. »Ich werde bestimmt bald abgelöst. Von einem der vielen jungen Burschen, die im Ostblock ihre Ausbildung absolvieren.«
    »Bis dahin …?«
    »Bis dahin leite ich eine abtrünnige Provinz und verfüge leider nur über eine begrenzte Anzahl von Mitarbeitern, denen ich vertrauen kann. Hier wimmelt es nur so von Spitzeln, Auftragsmördern und Attentätern, Siri. Darum war ich so froh, als ich auf dem Telegramm Ihren Namen las. Ich habe unsere politischen Diskussionen in Tum Piu sehr genossen. Keine Frage, Sie sind ein Mann nach meinem Herzen.«
    Wenn ihn seine dunkle Erinnerung nicht täuschte, hatten sich ihre »Diskussionen« hauptsächlich darin erschöpft, dass Katay wilde Verschwörungstheorien gesponnen und Siri ihm sein Ohr geliehen hatte.
    »Und womit haben wir es hier zu tun?«, fragte Siri.
    Katay warf einen verstohlenen Seitenblick zu Tao, der neben dem Land Rover stand und sich mit dem Fahrer des Gouverneurs unterhielt. Er legte Siri den Arm um die Schulter und führte ihn auf die Veranda. Dort bemerkte Siri einen vertrauten Geruch. Katays Stimme war jetzt nur mehr ein Flüstern, und er brachte sein Gesicht ganz nahe an das des Doktors.
    »Ich habe schon seit langem den Verdacht«, wisperte er, »dass die Sowjets den Einfluss der Vietnamesen in Laos zu untergraben versuchen. Vermutlich mit dem Ziel, die Regierung zu stürzen und die Macht im Land zu übernehmen.«
    Siri traute sich nicht zu fragen, wie er auf diesen ganz und gar abwegigen Gedanken kam. Deshalb hielt er den Mund und begnügte sich mit einem Nicken.
    Katay fuhr fort. »Dabei müssen sie natürlich diskret vorgehen. Unsere wichtigsten Leute einen nach dem anderen eliminieren. Ich habe mich schon gefragt, wie sie das wohl anstellen würden, da passierte es – zack! Mein Stellvertreter, ermordet in seiner eigenen Badewanne.«
    »Sind Sie sicher, dass es sich um einen Mordanschlag handelt und nicht um einen schnöden Unfall?«
    »Die Tatsachen sprechen für sich, Siri. Es war der erste Abend nach seiner Rückkehr aus Vientiane, wo er mit den Russen zusammengetroffen war. Sein erstes Bad mit diesem teuflischen sowjetischen Tauchsieder. Das Ding muss so manipuliert gewesen sein, dass es ihn umbrachte. Darum habe ich Sie angefordert.«
    »Ehrlich gesagt, bin ich in erster Linie Arzt und kein Elektriker. Um diesen Beweis zu führen, sollten Sie vielleicht eher einen Techniker kommen lassen, Genosse.«
    »Aber als Leichenbeschauer können Sie doch bestimmt feststellen, ob er ermordet worden ist, oder?«
    »Nicht unbedingt. Aber eins nach dem anderen. Wo ist die Leiche?«
    »Da drinnen.«
    »Das ist nicht Ihr Ernst.«
    »Doch. Als ich von

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