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Briefe in die chinesische Vergangenheit

Briefe in die chinesische Vergangenheit

Titel: Briefe in die chinesische Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbert Rosendorfer
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fünfzig Silberschiffchen aus meiner Reisekasse gegeben. Herr Shi-shmi erklärte mir auf der Fahrt einiges, was mit seinem Vorhaben zusammenhing, aber ich verstand es nicht ganz, einesteils wegen des Lärms, den das Rattern des Eisen-Hauses verursachte, und wegen des dröhnenden Gebrülls der anderen Gäste in diesem Haus, andernteils weil der Vorgang, den ich beobachten sollte, so kompliziert war.
    Als wir den Laden betraten, hielt ich ihn für eine Wechselstube. Ich schüttle ja schon längst nicht mehr den Kopf darüber, wie unsinnig sich die Großnasen hier benehmen. Die Kaufleute stellen ihre Waren ins Fenster. Es grenzt ans Schamlose. Sie stellen sie so ins Fenster, daß sie jeder, buchstäblich jeder, der vorbeigeht, sehen kann. Sie zeigen förmlich mit dem Finger auf die Waren, mit denen sie handeln. Gut – ich gewöhne mir das Kopfschütteln ab. Es mag ja noch angehen, wenn ein Metzger rohe Fleischstücke sozusagen auf die Straße legt oder ein Schneider seine Stoffe vor aller Augen ausbreitet – aber daß der Inhaber einer Wechselstube sein Geld ins Fenster legt, kann nur der Schwachsinn erklären, in den die Leute hier im Laufe der dreißig Generationen, die sie von uns trennen, verfallen sind. Dabei war es aber gar keine Wechselstube, soviel ich erkennen konnte. Ganz habe ich das immer noch nicht verstanden. Herr Shi-shmi verhandelte kurz mit einem langnasigen Mann, der nicht nur keinen Zopf, sondern überhaupt keine Haare mehr hatte, dann zog Herr Shi-shmi mein Silberschiffchen hervor und zeigte es dem Langnasigen. Der fiel fast hintenüber, schlug die Hände über dem Kopf zusammen und stieß tiefgrunzende Laute aus. Natürlich, bei Licht betrachtet, lieber Dji-gu: er hatte ein ganz neues, überhaupt nicht abgegriffenes Silberschiffchen mit kaiserlichem Stempel vor Augen, das für ihn tausend Jahre alt war. Selbstverständlich ist solches hier rar. Aber ich traute meinem Blick nicht, als Herr Shi-shmi das Silberschiffchen hergab und dafür zwei braune und acht blaue Geldscheine bekam, die er gleich an mich weitergab. Bei den Großnasen ist die Unsitte des Papiergelds (das sich bei uns, wir wissen es, nicht bewährt hat) nicht nur eingerissen, nicht nur weit verbreitet, sondern fast ausschließlich die Art und Weise des Zahlungsverkehrs. Münzen gibt es so gut wie gar nicht und nur für kleine Werte. Das habe ich Dir schon geschrieben. Die hiesigen Geldscheine sind aus sehr grobem Papier und unbegrenzt gültig. Entweder ist das Vertrauen der Großnasen zu ihrem Finanzminister so groß, daß es schon an Schwachsinn grenzt, oder aber der Ruß und Schmutz dieser Welt kommt eben davon, daß kein Mensch bereit ist, ihn gegen Lohn in Papier zu beseitigen. Auf den Scheinen sind bildliche Darstellungen. Zunächst habe ich gemeint, daß die dargestellten Köpfe die des Finanzministers und der Finanz-Mandarine seien. Das ist aber nicht so. Wohlweislich, nehme ich an, lassen sich die Herren nicht auf den Scheinen abbilden. Sonst könnte sie ja jeder auf der Straße erkennen! Übrigens – und das habe ich bei Herrn Shi-shmi gesehen – kann jeder selber Papiergeld machen. Da hat einmal Herr Shi-shmi, als er den An-tsu für mich kaufte, doch ein Blatt aus der Tasche gezogen und ein paar Schriftzüge auf ein Blatt gesetzt – und der Verkäufer hat es genommen wie Geld. Das ist absolut üblich – wie da eine Volkswirtschaft funktionieren soll, ist mir schleierhaft. Wahrscheinlich funktioniert sie auch nicht, wie man überall sieht.
    Ich gab Herrn Shi-shmi die Geldscheine wieder, er sagte aber: nein, sie gehörten mir, und steckte sie mir wiederum zu. Ich wollte ausprobieren, ob man mit den Scheinen tatsächlich etwas kaufen kann. Herr Shi-shmi lachte. Wir gingen neuerlich über ein paar Straßen, und ich blieb wie gebannt vor einem großen Fenster eines überaus gigantischen Ladens, eines Ladenhauses stehen, und ich sah im Fenster einen völlig rätselhaften Gegenstand, auf den ich mir überhaupt keinen Reim machen konnte. Diesen Gegenstand, bedeutete ich Herrn Shi-shmi, wollte ich gegen einige dieser Zettel zu erwerben versuchen.
    Herr Shi-shmi hielt sich den Bauch vor Lachen. Es war ein gutmütiges Lachen. Er lachte mich nicht aus, er lachte über meinen – in seinen Augen krausen Einfall, gerade diesen Gegenstand zu kaufen. Herr Shi-shmi machte mehrere – von Lachen unterbrochene – Anläufe, um mir den Zweck dieses Gegenstandes zu erklären. Ich verstand es nicht. So blieb ihm, da ich hartnäckig auf meinem

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