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Briefe in die chinesische Vergangenheit

Briefe in die chinesische Vergangenheit

Titel: Briefe in die chinesische Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbert Rosendorfer
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Fuß. Jetzt steht das Shao-bo neben dem Bett in seiner vollen blauen und gelben Größe und füllt fast das ganze Zimmer aus. Wozu das Shao-bo taugt, konnte mir Herr Shi-shmi nicht erklären. Er werde es mir dereinst zeigen, hat er mir bedeutet. Ein kultischer Gegenstand scheint es nicht zu sein.
    Mein Brief ist lang geworden. Es ist Zeit, daß ich zum Kontaktpunkt eile. Wenn ich die Gabe hätte zu malen, würde ich eine Skizze des Shao-bo beilegen. Aber dazu hatte ich, wie Du weißt, nie Talent. Vielleicht illustriert statt dessen dieses Phänomen das folgende Gedicht, das mir bei Betrachtung des Shao-bo eingefallen ist:
    Bei Betrachtung des blau-gelben Shao-bo
    Blau-gelbes Shao-bo.
    Die heiße Sommerluft füllt dich.
    Welch anderer Atem füllt mich
    sonst im Monat August.
    Die Zukunft weiß nichts vom
    Aprikosenhügel.
    Es grüßt Dich
    Dein ferner Kao-tai

Neunter Brief
    (Montag, 12. August)
    Teurer, ferner Dji-gu.
    Heute steht der Mond auf dem abnehmenden Viertel wie an dem Tag, als ich hierherkam. Es sind viele Tage vergangen, seit ich Dir das letzte Mal geschrieben habe. Ich hoffe, Du warst nicht besorgt. Es geht mir – den Umständen entsprechend – gut. Der ewige Regen hat aufgehört. Was aber ein richtiger Sommer ist, scheinen die Großnasen hier nicht zu wissen, obwohl sie sich, sobald die Sonne zwei Tage lang geschienen hat, in größter Schamlosigkeit nackt vor aller Augen in die Wiesen legen. Aber davon später.
    Schon wieder weiß ich nicht, wie und wo ich anfangen soll. Zu viel ist neu, zu viel ist fremd, immer noch, und da müßte der Mond noch oft wechseln, bis es anders würde für mich.
    Du wirst sagen – wenn Du meinen langen Brief, den achten, gelesen hast (ein längerer Brief als Deine ganzen Briefe bisher zusammengenommen) –, daß das mit dem Papiergeld ja gar nicht so neu ist.
    Richtig. Unsere Väter erinnern sich daran, daß unter der unseligen Herrschaft der »Fünf Dynastien« auch schon der Unfug des Papiergeldes grassiert hat. Der Erhabene Sohn Des Himmels T’ai-tzu, der Gründer der Dynastie Sung – sie möge ewig herrschen –, der Hochmögende Vater unseres gegenwärtigen Kaisers hat bei seinem Regierungsantritt unter anderem auch mit dem Papiergeld aufgeräumt.
    Das veranlaßt mich zu einigen Überlegungen: wird es gut sein, wenn wir die Erkenntnisse, die ich von meiner Zeit-Reise mitbringe und die – zum wichtigsten Teil – ich diesen Briefen an Dich anvertraue, veröffentlichen und den Leuten unserer Tage zugänglich machen?
    Wird der Finanz-Mandarin, den ich ohnedies für einen meineidigen Hanswursten halte, dieser sechszehige Kwan Tai-fang, nicht sofort aus meinen Berichten ableiten: noch in ferner Zukunft wird das Papiergeld im Zahlungsverkehr eine entscheidende Rolle spielen? – und vom Erhabenen, der – in aller Ehrfurcht gesagt – viel von der Aufzucht von Pekinesen, noch mehr vom wonnigen Beglücken von Damen, aber so gut wie nichts von Finanzsachen versteht, sofort verlangen, daß das Papiergeld bei uns wieder eingeführt wird? Und in wenigen Jahren – laß zwei Ernten schlecht ausfallen – haben wir die schönste Inflation?
    Ob es nicht besser ist, wir behalten, so schwer es uns fallen sollte, unsere Erkenntnisse für uns? Nun wirst Du vielleicht einwenden, daß wir verpflichtet sind, wenigstens unseren Erhabenen Kaiser von meinem Ausflug zu unterrichten, ihm ein Bulletin mit den – Seinem eher schlichten literarischen Verständnis angemessen – gedrängten und aufs Wesentliche beschränkten Zusammenfassungen meiner Reiseberichte hinaufzureichen. Aber selbst da habe ich Bedenken. Wie ich eben geschrieben habe: »die Sung-Dynastie … sie möge ewig herrschen …«, hat mein Pinsel gestockt, aber ich habe es doch niedergeschrieben mit dem Vorbehalt, später – nämlich hier – ein Wort dazu zu sagen. Mitnichten wird die Äußerst Verdienstvolle Sung-Dynastie ewig herrschen. Hier in der Zukunft von nur tausend Jahren – »nur« gemessen an der Ewigkeit – ist überhaupt keine Rede mehr von der Sung-Dynastie, und selbst einem so gebildeten Mann wie Herrn Shi-shmi, der selber ein Lehrer ist, wie er mir gesagt hat, haben die Namen unserer Kaiser nicht das mindeste bedeutet. Es scheint hier überhaupt keinen Kaiser mehr zu geben, von der Dynastie Sung ganz zu schweigen. Sollen wir das in ein Bulletin schreiben, das wir dem Himmels-Sohn hinaufreichen? Wenn wir es übergehen, wird es das erste sein, was uns der Äußerst Würdige fragt. Und dann? Die Antwort

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