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Briefe in die chinesische Vergangenheit

Briefe in die chinesische Vergangenheit

Titel: Briefe in die chinesische Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbert Rosendorfer
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einmal gefaßten Entschluß beharrte, nichts anderes übrig, als mit mir den großen Laden, das Ladenhaus, zu betreten.
    Es herrschte ein unbeschreibliches Gewühl in dem Laden. Massen von Großnasen wälzten sich rücksichtslos und ohne Beobachtung auch nur der geringsten Höflichkeitsformen durch die Gänge hin und her. Als die große Wassernot herrschte, Du erinnerst Dich: in dem Jahr, als der Vizekanzler Yang-ch’i starb und das Volk, das in den Häusern am Fluß gewohnt hatte, in die höher gelegenen Teile der Stadt drängte, um sich zu retten, und als gleichzeitig – aber wem sage ich das: Du warst damals Erster Feuerwehr-Mandarin – in der oberen Stadt der verheerende Brand ausbrach und die Leute aus der oberen Stadt in die Stadtteile am Fluß zu gelangen versuchten, und dort, wo sich die Ströme der Unglücklichen in den Straßen trafen, ein nie vorher und auch nie nachher gesehenes oder in den Annalen verzeichnetes Gedränge herrschte, wo alles und jedes sich gegenseitig niederstieß und beiseite drängte, nie seither hat die Welt eine vergleichbar tosende Menschenmenge gesehen wie in jenem Ladenhaus zu Min-chen, in das ich durch eigenen Fürwitz geraten bin. Dabei – bedenke, Freund Dji-gu – waren damals im Jahr des Todes des Vizekanzlers Yang-ch’i bei dem Feuer- und Wasserunglück und dem nachfolgenden großen Gedränge die Drängenden von menschlichem Ausmaß, während es sich bei den hier Drängenden um riesenwüchsige Großnasen gehandelt hat, die den ganzen Raum, so riesig er war, mit dem Dröhnen ihrer ordinär tiefen Stimmen erfüllten. Ich wähnte mich – kurz gesagt – in der Hölle. Dennoch beharrte ich auf meinem Plan, weil ich mir sagte: schließlich diene ich und dient meine Reise der Wissenschaft; der Forscher darf, wenn es um die Erkenntnis geht, nicht davor zurückschrecken, seinen Fuß auch in die Hölle zu setzen.
    Nicht zu vergessen ist natürlich, daß ich einen kühnen Führer bei mir hatte, den treuen und aufopfernden Herrn Shi-shmi, der sich vor mich stellte, mich an der Hand nahm und furchtlos das Gewühl der entgegenkommenden Großnasen zerteilte, bis wir jene Abteilung des Ladenhauses erreichten, in dem der von mir gewünschte Gegenstand zu kaufen war.
    Shao-bo heißt der Gegenstand, ist zum Teil von blauer, zum Teil von gelber Farbe und ziemlich groß. Das Material ist mir unklar: elastisch und rauh. Der Shao-bo-Gegenstand hat zwei verschiedene Erscheinungsformen. Die eine Erscheinungsform entspricht der eines vielfach zusammengenähten riesigen Mantels oder Zeltes. Mittels einer offenbar sinnvoll konstruierten Pumpe blies der Verkäufer Luft in den Shao-bo-Gegenstand, so daß er sich in die andere Erscheinungsform blähte. Er erhielt dadurch die Form eines ringförmigen Wulstes. Ob ich wirklich diesen Shao-bo-Gegenstand erwerben wolle? fragte Herr Shi-shmi lachend. Nein, eigentlich wollte ich längst nichts mehr als aus dieser Bedrängnis hinaus. Aber ich hätte es als unhöflich empfunden, dem Shao-bo-Verkäufer gegenüber – auch wenn der nichts Besseres ist als ein Kaufmann –, nachdem er den Shao-bo eigens für mich aufgeblasen, den endgültigen Kauf abzulehnen. Also reichte ich einige meiner Scheine hin, und tatsächlich: der Wicht von einem Kaufmann nahm sie mit einer ganzen und zusätzlich einer weiteren (ich beobachtete es genau) Sieben-Achtel-Verbeugung entgegen. Eigentlich hätte ihm, dem Pfeffersack, daraufhin sofort der Kopf abgeschlagen gehört, denn der Rangabstand von mir zu ihm erfordert mindestens einen vollkommenen Kotau und zwei Drei-Viertel-Verbeugungen, wenn ich zu seinen Gunsten unterstelle, daß ihm, dem Shao-bo-Verkäufer, das ganze Ladenhaus gehört. Wenn er nur ein Knecht des eigentlichen Eigentümers gewesen sein sollte, hätte er das Papiergeld vom Boden aufheben müssen… nun ja. Ich bin nicht hier, um meinem Rang Geltung zu verschaffen. Ich bin hier, um unsere Zukunft zu studieren.
    Mit entsetzlichem Pfeifen entwich, nachdem der Verkäufer einen kleinen Stöpsel aus dem Shao-bo-Gegenstand gezogen hatte, die Luft. Das Shao-bo wurde faltig. Der Verkäufer wickelte es zusammen und packte es in Papier ein.
    Aus der Tatsache, daß ich Dir, geliebtester Dji-gu, diesen Brief schreibe, siehst Du zwangsläufig, daß ich wohlbehalten nach Hause gekommen bin mitsamt meinem Shao-bo. Woran nicht ich, wohl aber der fürsorgliche Herr Shi-shmi gedacht hat: auch so eine sinnvolle Pumpe wurde beigepackt. Ich lernte sie bedienen. Man bedient sie mit dem

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