Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Briefe in die chinesische Vergangenheit

Briefe in die chinesische Vergangenheit

Titel: Briefe in die chinesische Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbert Rosendorfer
Vom Netzwerk:
lustlos. Der Diener führte uns in eine der Samthöhlen, und Meister Yü-len bestellte eine Flasche Mo-te Shang-dong.
    Plötzlich wurde es noch dunkler. Die Musik hörte zu spielen auf. Ein großer Samtvorhang wurde beiseite gezogen, und ein Kerl, der aussah wie ein Frosch, begrüßte uns – das heißt: alle Gäste, die da halb-versteckt in den Höhlen saßen – ziemlich unterwürfig und kündigte eine, soviel ich verstand, akrobatische Darbietung an. Sogleich begann die Musik wieder zu spielen, eine Dame in einem silbernen Kleid betrat die Bühne und hob zu singen an, obwohl sie es nicht konnte. Nach einiger Zeit legte sie ein Kleidungsstück nach dem anderen ab (ohne im Singen nachzulassen) und warf die Kleidungsstücke durch die Luft zu uns her in die Höhlen. Alle Kleidungsstücke waren silbrig, wir durften sie aber nicht behalten; der Diener sammelte sie nachher wieder ein. Die Dame sang auch noch weiter, als sie schon ganz nackt war; da hielt sie eine große silberne Rose vor ihr dreieckiges Gärtchen. Als ihr Lied, dessen Text ich nicht verstand, zu Ende war, warf sie auch die Rose in die Luft und entfernte sich hüpfend.
    Herr Yü-len-tzu und auch die anderen Gäste schlugen vor Freude die Hände ineinander. Ich fragte Herrn Yü-len-tzu, ob ihm das wirklich gefallen habe. Er sagte: es geht.
    Unterbrochen von Pausen, folgten dann noch mehrere solche Darbietungen. Kaum eine war wirklich akrobatischer Natur. Immer waren es Damen, die sich – teils singend, teils stumm – entkleideten. Eine war sehr dick und wurde von einem Hund ihrer Kleider entledigt. Auch der Hund war sehr dick. (Ich verstehe natürlich, daß man so einen Hund nicht schlachtet und ißt, weil es offensichtlich redliche Mühe kostet, den Hund so abzurichten, daß er die Dame entkleidet.) Die Dame quiekte jedesmal, wenn der Hund ihr mit dem Maul ein Kleidungsstück fortnahm und damit hinauslief. Der Hund selber blieb stumm. Als sie ganz nackt war, legte sich die Dame auf ein Sofa und nahm den Hund zwischen die Beine. Sie begann zu stöhnen. Als ich lachte, sagte ein Herr aus der Neben-Höhle: Pst!
    Eine Darbietung, die einzige, die die Bezeichnung akrobatisch verdiente, bestand darin, daß ein Mann in einem sehr stark pomeranzenfarbenen Höschen einen Finger in eine Flasche steckte, die am Boden stand, und, nur auf diesem Finger balancierend, die Füße in die Luft streckte. Mit großer Mühe entkleidete er mit der freien Hand drei Damen, die ihn umtanzten.
    Eine andere Dame, die bereits völlig nackt die Bühne betrat, schluckte kleine weiße Bälle und gab sie auf unaussprechliche Weise wieder von sich, ohne Zweifel ein Taschenspieler-Trick. Eine weitere entkleidete sich, während sie unter beständigen Verrenkungen ein Tablett mit fünf Gläsern auf der flachen Hand trug. Eins der Gläser fiel ihr herunter, und in eine Scherbe setzte sich die nachfolgende Entkleidungsdame, worauf sie am Hintern blutete und zornig ihre Darbietung unterbrach. Ich nehme nicht an, obwohl mir das weitaus am besten gefiel, daß das zum eigentlichen Programm gehörte.
    Zu dieser Zeit bemerkte ich, daß Herr Yü-len-tzu immer wieder in die Neben-Höhle hinüberlugte. Er fixierte den Herrn, der mir »Pst!« zugerufen hatte, stieß mich dann an und sagte leise: »Sehen Sie – das ist einer der mächtigsten Minister. Er heißt Herr Ch’i, der dämonische Südbarbar, und gilt als meineidig.« 13
› Hinweis
    Ich verplapperte mich und sagte: »Das kennen wir auch. Auch wir haben meineidige Minister …« Ich dachte, wie Du Dir denken kannst, an den Mandarin Ting-wei, der durch die Lieferung von Streitwagen an die nördlichen Generäle sein Vermögen gemacht hat.
    »Ja, ja –«, sagte Herr Yü-len-tzu, »man hört davon.« Offensichtlich bezog er meine Äußerung auf das heutige Reich der Mitte, wo das also immer noch so zu sein scheint.
    Der meineidige Minister Ch’i, dämonischer Südbarbar, ist für den Ruß in der Luft zuständig, erklärte mir Herr Yü-len-tzu, allerdings erst seit kurzer Zeit. Der vorhergehende Minister habe Herr Mu geheißen, sei zwar nicht meineidig gewesen – jedenfalls sei nichts davon bekannt geworden, fügte er hinzu, insoweit müsse man das Urteil bei jedem Minister einschränken –, aber eine höchst unbedeutende Person.
    »Und was«, fragte ich, »gedenkt der verehrungswürdige, wenngleich meineidige Minister gegen den Ruß in der Luft zu unternehmen?«
    »Er hat eine geharnischte Verordnung erlassen«, sagte Meister Yü-len. An

Weitere Kostenlose Bücher