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Brigade Dirlewanger

Brigade Dirlewanger

Titel: Brigade Dirlewanger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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und sagt in ganz anderem Ton: »Wie heißen Sie?«
    »B-Soldat Vonwegh.«
    »Ich mache Sie dafür verantwortlich, daß diese drei Weiber da …«, das widerliche Grinsen in Belles Gesicht verbreitert sich, »unversehrt … ins Hauptquartier gelangen … Legen Sie jeden um, der sich an ihnen vergreifen will! Befehl, verstanden?« Er hat es eilig, zum Plündern noch zurecht zu kommen, und hastet in das Dorf zurück.
    Für die Mordbrigade nichts Besonderes. Mord nach Maß. Das tägliche Blut! Jeder Handgriff sitzt. Jeder Befehl wird befolgt. Jedes Verbrechen ist erprobt. Wie man ein Dorf ausrottet, hat der Standartenführer erfunden. Dafür gibt es eine eigene Dirlewanger-Fibel: Umzingeln, die Menschen aus den Häusern treiben, das Vieh sichern, die Bevölkerung sortieren: die Brauchbaren zwischen sechzehn und sechzig abschleppen, die anderen zurücktreiben, das Dorf anzünden und niederknallen, was aus den Flammen läuft. Das dauert nicht länger als ein bis zwei Stunden, inklusive die Privatplünderungen, das Taschengeld für Sondereinsätze. Mord in Smolwiezki. Mord nach Schema F. F wie Feuer, F wie Fertigmachen, F wie Führer.
    F wie Faschismus …
    Links die Frauen. Rechts die Männer. Kinder bei den Frauen. Frauen über vierzig zurück in die Häuser, mit Kindern unter sechzehn. Inzwischen das Vieh aus den Ställen treiben.
    Oberscharführer Weise hat sich einen Tisch heraustragen lassen. Er sitzt da und produziert sich wie ein Gerichtsherr. »Welcher Idiot hat vorzeitig die Scheunen angezündet?« flucht er und hustet. Er betrachtet den russischen Bauern mit dem breiten Gesicht. »Wie alt?« brüllt er ihn an.
    Der Mann schüttelt den Kopf. Er ist neununddreißig, aber er sieht älter aus von dem harten Leben in diesem entlegenen Dorf, das die Zeit verschlafen hat, bis sie jetzt nach ihm greift. Er versteht Weise nicht.
    Der Oscha winkt seinen Trabanten zu. Sie treiben den Russen nach hinten, zu den anderen, die in das Dorf zurück müssen, wenn es ausradiert wird.
    Ein Gruppenführer meldet, daß der Viehbestand sichergestellt ist.
    »Die Hühner noch«, befiehlt der Einsatzleiter, »und wer wieder eines im Brotbeutel verschwinden läßt, ist reif! … Sagt es eurer Bande!«
    Noch ein Schluck. Fertig mit den Männern. Bis auf den Jungen da, der die Altersgrenze des Todes begreift und sich streckt, reifer aussehen möchte, wie ein Halbwüchsiger an der Kinokasse. Aber man spielt keine Liebesschnulze, sondern ein Schauerdrama: Massakrierung eines lebenden Dorfes. Regie: Adolf Hitler; Produktion: Oskar Dirlewanger.
    »Siebzehn«, sagt der Junge im gebrochenen Deutsch.
    »Mensch, du lügst!« Weise winkt den Russen heran, fährt ihm mit der Hand an der Wange entlang, findet nur Flaum. »Weil du's bist«, sagt er und schickt ihn nach vorne.
    Auf halbem Wege bleibt der Junge stehen, vor einer Frau. Die Ähnlichkeit ist unverkennbar. Es muß die Mutter sein. Sie steht auf der Seite der Verurteilten. Sie preßt eine Ikone so fest an sich wie andere ihre Kinder. Sie begreift, daß ihr Junge davonkommt. Die Mutter ist glücklich, der Junge verzweifelt. Sie streckt ihm das Heiligenbild hin. Sie sagt etwas. Der Junge weint.
    Ein SS-Posten tritt an ihn heran. »Hau ab!« brüllt er ihn an.
    Der Junge geht mechanisch weiter, dreht sich noch einmal um. Die Mutter reicht ihm das Bild. Die Ikone fällt aus seiner Hand. Er will sich bücken, wird mit einem Fußtritt vorwärts gejagt. Das Bild liegt am Boden. Und die Mutter geht langsam auf das Haus zu, das ihr Schicksal wird, ein verklärtes Lächeln im Gesicht, daß er davonkommt.
    Der Junge starrt zu Boden. Er ist wie tot und dabei … gerettet. »Ich bin erst fünfzehn!« brüllt er in russischer Sprache. »Ich will zurück! … Meine Mutter …«
    Ein paar hören es. Keiner versteht es. Vielleicht würde ihn Weise in seiner guten Laune sogar mitsterben lassen, vielleicht …
    Der Oberscharführer ist jetzt auf der anderen Seite: bei den Frauen. Er wühlt in ihren Schicksalen wie im Ramsch. Schlußverkauf des Lebens! Prima Ware! Alle Regale gefüllt! Spottbillig! Sie kosten eine Kugel oder einen Kanister Benzin.
    Paul Vonwegh weicht der Szene nicht aus. Er atmet schwer. Aber er zwingt sich hinzusehen, sich jede Einzelheit einzuprägen. Nichts zu vergessen. Niemals! Sei kein Feigling! befiehlt er sich. Mach nicht schlapp! Verfolge jede Nuance, merke dir jedes Gesicht, lerne die Visagen der drei Verbrecher auswendig, die über eine Fünfzehnjährige herfallen, sie zu

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