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Brigade Dirlewanger

Brigade Dirlewanger

Titel: Brigade Dirlewanger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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ein paar Leute als Posten ein, bringt die russischen Frauen und Mädchen in der größten Hütte unter und bezieht selbst mit ein paar Mann einen winzigen Verschlag. Er fühlt sich elend, zerschlagen. Der Körper ist müde. Aber der Kopf will nicht schlafen. Gedanken turnen über ihn hinweg, verlieren sich, tauchen wieder auf, formen sich zu einem Bild, zu einem Traum, zu einer Erinnerung.
    Zu ihrem, zu Karens Bild …
    Damals, in Mecklenburg, hatte Paul Vonwegh den Entschluß gefaßt. Er brauchte ihn bloß noch auszuführen. Und an diesem Wörtchen ›bloß‹ wäre er beinahe erstickt … Er versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. Karen spürte die Veränderung und schwieg. Er war ein miserabler Schauspieler. Sie lagen nachts nebeneinander, stellten sich schlafend und waren beide wach. Sie begannen, Schattengespräche miteinander zu führen.
    »Ich weiß, was dir fehlt«, sagte Karen unvermittelt. »Du lebst wie in einem Käfig, du mußt heraus … unter Menschen … Du brauchst Abwechslung … Ich bin zuwenig für dich …«
    »Karen«, antwortete er. In der Art, wie er ihren Namen aussprach, lag alles. Sie spürte es. Der Schatten desertierte. Für diesen einen Tag. Für den letzten.
    Paul Vonwegh nahm sich zusammen wie nie zuvor. In der Frühe schon ging er weg und besorgte Blumen. Margeriten, die sie so gerne mochte.
    »Ach, du …«, sagte Karen.
    »Weißt du«, erwiderte er, »ich möchte dir jeden Tag Blumen schenken … Glaubst du mir?«
    »Du tust es doch«, entgegnete die junge Frau.
    Er schüttelte den Kopf.
    »Deine Worte sind wie Blumen«, versetzte sie. »Nein«, verbesserte sie, »viel schöner oft … und …«
    Paul sah sie voll an.
    »Sie verwelken nicht«, fuhr Karen fort, »oder?«
    »Niemals«, antwortete er und sah weg. Er mußte die Lippen aufeinander pressen, wie immer, wenn etwas sehr weh tat.
    Dabei war er abgehärtet. Er hatte alles mitgemacht, was ein Mann nur hinter sich bringen konnte. In Spanien. Halb verhungert hatten sie ihn aufgelesen. Verwundet lag er ohne Wasser eineinhalb Tage im Niemandsland. Seine Freunde waren gefallen. Er blieb einfach übrig wie ein vergessener Regenschirm. Oder doch nicht?
    »Du bist mit deinen Gedanken schon wieder ganz woanders«, schmollte Karen.
    »Entschuldige«, entgegnete er.
    »Wo warst du?« drängte sie.
    Paul Vonwegh schüttelte den Kopf.
    »Merk dir«, sagte sie, während sie ihm die Brötchen beim Frühstück richtete, »ich bin eifersüchtig … ja, richtig … du darfst es mir glauben …«
    »Es ist schön so …«, antwortete er. »Wo Eifersucht ist, ist auch noch Kampf …«
    »Bei uns?«
    »Gefühle sind immer Kampf«, erläuterte Paul, »und sie taugen nichts mehr, wenn sie zu festem Besitz gerinnen …«
    »Du bist ja ein Philosoph«, versetzte Karen. Sie lächelte belustigt. »Aber ich glaube, wir zwei könnten Waffenstillstand miteinander schließen, nicht? Wir haben genug Kampf mit unserer Umwelt.«
    »Ja«, versetzte er und versuchte, schwerelos zu lächeln. Er sah verstohlen auf die Uhr. Noch sechzehn Stunden bis zum Abschied.
    Kein Abschied. Flucht. Kein Adieu. Besser so, sagte er sich und wußte noch nicht, wie er es schaffen sollte …
    Karen merkte nichts. Beim Mittagstisch war sie noch völlig unbefangen. Am Nachmittag badeten sie in dem kleinen See. Wie immer. Aber heute zum letzten Mal. Paul Vonwegh starrte nach oben. Seine Augen tränten. Die Sonne, sagte er sich und tauchte unter, damit es Karen nicht sähe.
    Ein Abend wie ein Zauber. Eine Nacht wie ein Wunder. Die Turmuhr schlug elfmal. Karen war eingeschlafen und schrak hoch.
    »Wie spät?« fragte sie schlaftrunken.
    »Noch nicht einmal Mitternacht«, entgegnete er und schob sie sanft in die Kissen zurück.
    Er spürte ihre Wärme, ihre Nähe. Es hatte ihn immer beglückt und erregt. Jetzt wurde die Seite, an der Karen lag, starr, wie mit Wachs überzogen. Paul Vonwegh lag reglos da, mit geschlossenen Augen.
    Sie mußte es bemerkt haben. »Kannst du nicht einschlafen?« fragte sie und gähnte.
    »Doch …«, erwiderte er. Ich muß vorsichtiger sein … Zwei Stunden noch. Sie muß ganz fest schlafen. Sie darf es nicht merken.
    Es war eine helle, sternklare Nacht. Der Mond schien in das Zimmer, erfasste Gegenstände, zeichnete Konturen, warf Licht und Schatten auf Karens Gesicht. Es war jung, frisch, klar, glücklich.
    Paul stand auf und betrachtete sie voll. Karen merkte es nicht. Sie schlief jetzt ruhig und fest. Dabei lächelte sie, träumte sie

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