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Brigade Dirlewanger

Brigade Dirlewanger

Titel: Brigade Dirlewanger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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Heldentod …« Er befiehlt: »Der Mann geht bis auf weiteres in Bau.«
    »Stehbunker?« fragt Müller-Würzbach geschäftsmäßig.
    »Nein«, versetzt der Standartenführer, »nur eine Vorsichtsmaßnahme … Normalhaft, geben Sie ihm von mir aus doppelte Verpflegung.«
    Vonwegh haut die Hacken zusammen.
    »So«, beschließt Dirlewanger den Rapport, »auf geht's! Saure Tage, frohe Nächte.« Er lächelt. »Muß mir doch dieses Mädchen mal genau ansehen … das das halbe Lager durcheinander bringt … Ist bis auf weiteres für mich reserviert.«
    »Jawohl, Standartenführer«, entgegnet der Spieß mit unbewegtem Gesicht.
    Dann spult die Siegesfeier ab. Wie immer. Souper bei Kerzenlicht, erstklassige Küche, mehrere Gänge. Heute ganz unter sich, nur intimste Günstlinge zugelassen. Als Nachtisch Schnaps, den wie immer Mädchen servieren müssen. Dazwischen die Lieblingsschnulze des Standartenführers: »Alle Tage ist kein Sonntag …«, garniert mit den Schreien der Mädchen und den Flüchen ihrer Bedränger. Hilferufe, Stiefelgetrampel, Besäufnis bis zum Letzten …
    Paul Vonwegh sitzt im Bau. Er hat das sichere Gefühl, daß er durchkommen wird, und weiß, daß ihn Dirlewanger nicht erkannte. Aber vielleicht läßt sich der Standartenführer die Akten kommen und erfährt dann Bescheid. Was soll er sich den Kopf zerbrechen? Hier, im Hauptquartier der Mordbrigade, zählt die Zukunft nach Stunden, höchstens nach Tagen …
    Sonderbehandlung. Die reinste Erholung. Mehr kann man in der Hölle nicht haben als doppelte Verpflegung, eine Pritsche und das kommandierte Wohlwollen seiner Wächter. Nur ab und zu, wenn B-Soldaten nebenan ausgepeitscht werden, ist es vorbei mit der Erleichterung. Vonwegh gewöhnt sich an, die Schläge mitzuzählen, um sich abzulenken.
    Vier Mauern. Das Gefängnis hat ihn wieder. Wie lange saß ich hinter Mauern und Stacheldraht? überlegt er und addiert: in Südfrankreich, in der Schweiz, in Deutschland, hier in Rußland jetzt. Ich nehm's ja mit jedem Berufsverbrecher auf, denkt er ironisch.
    Wenn nur die Zeit nicht wäre, viel zuviel Zeit. Vier Schritte vor, vier Schritte zurück. Aus. Wieder von vorne. Nach der Seite. Zwei Schritte hin, zwei Schritte her. Dreimal zwei macht sechs. Sechs Schritte im Quadrat. Das Quadrat kann man nicht abgehen, weil die Pritsche im Wege steht und der Kübel. Vor, zurück. Nach links, nach rechts. Gefangen. Im Käfig.
    Es gab einmal eine Zeit, so denkt er immer wieder, da ich etwas gegeben hätte für einen solchen Käfig, in der man die Türe hätte zumauern müssen, durch die ich vorzeitig entlief … Ich hätte bleiben wollen.
    Wider alle Vernunft. Ganz gleich, wie lange es noch gewährt hätte, nur um jeden Tag zu nutzen, jede Stunde …
    Damals … bei Karen …
    Paul Vonwegh konnte nicht sagen, wie viel Kraft er verbraucht hatte, um die Türe hinter sich zu schließen. Ihren Griff spürte er noch fünf Minuten später in der Hand. Er ging langsam weiter, wie ein Dieb.
    Wieder lag Karens Gesicht im Mondschein. Mondschein ist romantisch, Mondschein ist schön, Mondschein ist gut für ein Paar, das sich gefunden hat … In einer solchen Nacht nimmt man die Laute und singt, und wenn man es nicht kann, so hört man wenigstens zu. In einer solchen Nacht läßt man die Wirklichkeit versilbern und steckt sie als bare Münze in die Tasche. In einer solchen Nacht preßt man sich gegeneinander, hört auf den Gleichklang der Herzen, nimmt sich den Atem, küsst sich, glaubt, was man sagt, und sagt, was man glaubt … einmal, zweimal, immer wieder, bis man umfällt vor Müdigkeit.
    Ich muß, ich muß, ich muß, sagte sich Paul Vonwegh. Ein paar Schritte ging er noch vorsichtig, gebückt, lauernd. Dann nahm er den Marschtritt auf. Den Schritt der Zeit: links, rechts, links, rechts, Arme seitwärts geschwungen, Ziel vor Augen, Feind vor sich, Leere im Hirn.
    Dreizehn Kilometer bis zum Bahnhof des nächsten Kreisstädtchens. Nur eine Omnibuslinie verband es mit dem kleinen Dorf in Mecklenburg. Omnibusse fahren nur am Tag. Omnibusse waren zu gefährlich. Genau genommen war auch das Kreisstädtchen eine Idiotie. Wenn man nach Vonwegh fahndete, mußte man seine Spur finden. Viel zu viele Leute begegneten ihm: gewerbsmäßige Frühaufsteher; Frauen, die zum Markt wollten; Männer, die Nachturlaub hatten; Schüler, die ins Gymnasium mußten.
    Es war ihm alles wurscht. Scheißegal. Er hatte noch nicht einmal einen Plan, wohin er wollte. Vielleicht wieder schwarz

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