Brigade Dirlewanger
Kampfberichte und Arrestbücher wie gegen den Führer einer x-beliebigen Wehrmachtseinheit, der zu scharf war oder zu lax. Als ob Dirlewanger nicht Vollmachten über Leben und Tod hätte …
»Der Dienstweg ist bis auf weiteres aufgehoben«, schließt der alte Oberst, »seine Umgehung wird von mir und meinen Offizieren voll und ganz gedeckt …« Er machte eine Kunstpause und sagte dann scharf: »Hand hoch, wer etwas zu melden hat!«
Nichts rührt sich. Daß dem Oberst kein massiertes Gelächter entgegenschlägt, ist ein Wunder … die heisere Lache letzter Verzweiflung.
Sie senken den Kopf, als sie auseinanderlaufen. Die Spannung ist weggetreten. Aus. Vorbei. Verweht.
Gegen Mittag verbreitet sich das Gerücht, daß Oberst Prinz nur eine Falle sei, ein Zuverlässigkeitstest Dirlewangers. Gleichzeitig lacht die Tischrunde des Standartenführers darüber, daß Prinz das ihm angebotene ›Offiziersessen‹ ausschlägt. Nur Müller-Würzbach bleibt ernst.
»Na, Sie Skeptiker«, sagt Dirlewanger, »die Sache läuft doch wie geprobt …«
»Bis jetzt«, schränkt der Spieß ein.
»Hier hält jeder dicht«, erwidert der Chef fast stolz.
»Jeden kann man zum Reden bringen«, entgegnet der Hauptscharführer vorsichtig.
»Ja«, antwortet Dirlewanger mit lautem Gelächter, »mit unseren Methoden …«
Bis in den späten Nachmittag gehen die Vernehmungen weiter. Das Ergebnis ist gleich Null. Aber die B-Soldaten trösten sich mit einem freien Tag, besserem Essen und guter Behandlung …
»Ich muß dich sprechen«, sagt Kleinschmidt, als er mit dem Zugführer allein ist.
»Und?«
»Haubach ist verschwunden … vor zwei Tagen … Sie haben ihn umgelegt …«
Vonwegh ermuntert den Mann nicht zum Weitersprechen. »Beweise?« fragt er schließlich.
Kleinschmidt schüttelt den Kopf.
»Und warum sagst du mir das?«
»Vielleicht sollte man … diese Geschichte …«
»Selbstmordgedanken, was?« fragt Vonwegh scharf und betrachtet den Mann voll. »Wie kannst du mir so was sagen?«
»Vor dir habe ich keine Angst«, antwortet Kleinschmidt, »du verpfeifst keinen …« Er lächelt breit und offen. »Schade, daß du nicht diese Untersuchung vornimmst … Ich weiß genau, wo du stehst …«
Der Zugführer erschrickt. Soweit ist es schon, denkt er. Ich muß vorsichtiger sein. Gleichzeitig arbeitet sein Gehirn: Gut, Haubach erschossen. Wozu die Geheimniskrämerei? Warum Versetzung, wo sie doch sonst nicht zimperlich mit einem Leben umgehen und immer eine Begründung fanden, wenn es knallte … Versetzt in Lager II, warum bloß?
Plötzlich, aus reiner Intuition heraus, begreift Paul Vonwegh die Zusammenhänge: Aumeier fehlt, der Hausmetzger Dirlewangers, sein Günstling. Angeblich erschossen, auf Befehl des Reichsführers … Und Aumeier hatte Haubachs Statur, eine Ähnlichkeit im Gesicht und stammte ebenfalls aus Bayern …
Gerade, als Paul Vonwegh erkennt, daß ihm Kleinschmidt eine tödliche Waffe gegen Dirlewanger in die Hand spielte, wird er aufgerufen und geht, ohne Eile, in den Nebenraum, in dem Prinz die Vernehmung der B-Soldaten des ersten Zuges persönlich vornimmt.
Schade, daß du bloß einen HDV-Verstand hast, denkt Paul Vonwegh, während er korrekt grüßt.
Der ganze Tag gehört dem Mißerfolg. Er ist so leicht zu zählen wie die Stummeln im Aschenbecher und zum Greifen dick wie der Zigarettenrauch in der Barackenstube. Der alte Polizeioberst greift nach dem Wasserglas. Der verdrossene Zug um seinen Mund verstärkt sich. Sein Gesicht ist vom Unwillen gerötet.
Er steht auf und betrachtet die Ehrenbezeigung des vor ihm stehenden B-Soldaten. Er geht um ihn herum, kann nichts aussetzen, und sein Grimm lockert sich. Zuletzt erst betrachtet er das Gesichts Paul Vonweghs. Guter Schnitt, denkt er. »Stehen Sie bequem!« sagt er dann. Er geht um seinen Schreibtisch herum, setzt sich, streckt die Stiefel von sich und zündet sich eine Zigarette an. »Sie haben mir nichts zu melden, was?« knurrt er.
»Nein, Herr Oberst.«
»Keine Unregelmäßigkeiten?«
»Nichts, Herr Oberst …«
»Kann ich mir denken«, faucht Prinz sarkastisch.
Er kennt die Antworten auswendig. Vonwegh macht gerade das halbe Hundert der Männer voll, die er heute vernahm. Alle starrten ihn mit toten Kalbsaugen an, logen unverschämt, und ihre Lippen zitterten dabei. Hinter ihrer Demut steckte die Gier, hinter ihrer Lüge die Hoffnung.
»Was sind Sie von Beruf?« fragt Prinz.
Paul Vonwegh zögert eine Sekunde. Was bin ich
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