Brigade Dirlewanger
Wir haben ein Geschäft in die Wege geleitet … Tauschhandel … Sie stellen sich in der Prinz-Albrecht-Straße … und ihre Freundin kommt frei …«
Vonwegh wirkte erleichtert. »Und das klappt?« fragte er.
»Wenn sie die Abmachung halten«, versetzte der Beamte. »Manchmal tun sie es … Und dann wieder …« Er zuckte die Schultern. »Wir sollten das Mädchen im Auge behalten … Wir werden es tun … Mehr kann ich nicht versprechen … Und Sie sind niemals hier gewesen … Ist Ihnen das klar?«
Vonwegh nickte.
»Wenn Sie darüber sprechen, bringen Sie das Mädchen in noch größere Gefahr … und ich …«, wieder lächelte er in seiner unbewegten Art, »verliere meinen Job …«
Vonwegh überlegte, ob er dem Mann die Hand geben sollte.
Da streckte ihm der Schwede seine entgegen, betrachtete ihn, hart, unsentimental. Er schüttelte den Kopf. »Ich bin kein Phantast«, sagte er dann, »sonst würde ich Ihnen alles Gute wünschen …«
»Danke«, entgegnete Paul Vonwegh spröde.
Er wollte mehr hinzusetzen. Aber der Mann von der schwedischen Botschaft hatte ihn auch so begriffen. Er kam noch einmal auf ihn zu, steckte ihm ein Päckchen Zigaretten zu. Sondermarke, deutsches Fabrikat. Wie gesagt, er verstand etwas vom Untergrund …
Paul Vonwegh brauchte siebzehneinhalb Minuten in die Prinz-Albrecht-Straße, das Hauptquartier der Gestapo. Auch hier mußte er drei Vorzimmer passieren, bis seine Feinde begriffen, welcher Fang ihnen gelungen war …
Jetzt ist der Zugführer sofort wach. Ein Geräusch. Leise, unterdrückt. Vonwegh rührt sich nicht. Ein Schatten. Dann hört er das Ächzen des Bohlenbretts. Der Mann schleicht sich von links auf die Türe zu. Keiner bemerkt ihn. Ein unterdrücktes Quietschen. Er ist draußen.
Vonwegh hat sich alles zurechtgelegt. Es geht ganz rasch. Fast genauso lautlos wie der Denunziant zieht sich der Zugführer an, hastet nach draußen, läuft im weiten Bogen auf das Ziel zu: auf das Schloß Dirlewangers, die Datscha.
Jetzt steht er hinter einem Holzstoß, so nahe, daß er die Burggendarmen sehen kann. Vielleicht waren es nur die Nerven oder einer, der austreten mußte. Aber hier folgt Vonwegh seinem Instinkt. Er muß Gewissheit haben. Er muß den Burschen fassen. Er muß ihn ausmerzen oder umdrehen. Eines von beiden. Der Zugführer glaubt, ihn zu kennen. Aber er muß ihn in flagranti fassen, den Mann, der geduckt und schleichend jetzt näher kommt, um Gruhnke zum zweiten Mal zu denunzieren.
Der Zugführer hört die Schritte. Je näher der Mann an das Schloß herankommt, desto sorgloser wird er. Es ist nicht leicht. Vonwegh muß ihn fassen, bevor ihn die Burggendarmen sehen. Fünf Meter noch. Der B-Soldat bleibt stehen, dreht sich nach allen Seiten um, geht dann mit den Beinen eines Traumwandlers weiter, auf das Schloß zu.
Er ist auf gleicher Höhe mit Vonwegh, dessen Hände wie Greifzangen zuschnappen, den Schrei aus der Kehle abfangen und den Mann hinter den Holzstoß ziehen. Es geht fast lautlos. Ein leichtes Geräusch ist zu hören, so wie wenn man einen Sack einen halben Meter weiterschleift.
Einer der Leibwächter am Eingang der Datscha sieht in die Richtung, bemerkt nichts, zündet sich eine Zigarette an. Vonweghs Hände sind immer noch um den Hals des Verräters gespannt. Er beugt sich über ihn und stellt fest, daß er recht hat. Er kannte den Mann, der sich einmal während eines Anfalls verriet.
Er ist ein Spitzel aus Angst.
Es ist Kirchwein, der Epileptiker …
Die Nacht ist kalt und finster. Man kann keine zehn Schritte weit sehen. In regelmäßigen Abständen treibt der Wind Nebelschwaden über die Landschaft, läßt sie weiterflattern wie schmutzige Betttücher. Es ist still. Die Stadt schläft unter der Verdunkelung. Ihre wichtigsten Punkte sind die ganze Nacht bewacht.
Nur der Schritt der Posten klirrt auf dem frostklammen Boden. Die Soldaten sprechen kein Wort miteinander. Die Kälte zwingt sie, durch die Nase zu atmen. Der Frost treibt Tränen in ihre Augen. Wollene Ohrenschützer unter dem Stahlhelm machen sie schwerhörig. Sie verständigen sich durch Zeichen. Es ist ohnedies nur militärische Routine, Barraszopf, Schikane, »Stumpfsinn«, fluchen die Landser, »Beschäftigungstherapie.«
Mitternacht ist längst vorbei. Die Sonderkommission des höheren SS- und Polizei-Offiziers Prinz ist seit Stunden mit der Arbeit fertig. Die Akten sind schon gepackt, das Flugzeug startbereit. Der Oberst ist für morgen nachmittag bei der
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