Brigade Dirlewanger
herankommen. Während sie versuchen, die Ereignisse dieser erbarmungslosen Winternacht zu durchleuchten, während sie Schutt und Asche wenden, während sie im Kehrichthaufen des Verbrechens nach Indizien wühlen, kommt endlich Ordnung in die gestauten Alarm verbände.
Die Panik löst sich in Planquadrate auf. Alle wichtigen Straßen und Punkte werden besetzt, alle Häuser durchkämmt. Kein Hund bummelt heute unkontrolliert. Die Falle macht die Schotten dicht. Das Netz ist ohne Lücke. Und die Mörder werden gestellt, so sie keine Gespenster sind …
Zwei Stunden nach dem Anschlag liegt das Polizeigelände in einem weiten Sperrkreis, den niemand betreten oder verlassen kann. Zur gleichen Stunde übernehmen abgestellte Polizeibeamte anderer Einheiten die Aufklärung des Anschlags. Es hat sich als notwendig erwiesen, weil nunmehr feststeht, daß der gesamte Stab von Oberst Prinz umgekommen ist: zwölf Offiziere, unter ihnen der Chef der Dienststelle, die Ablösung der Wache, ein Feldwebel und fünf Mann, sowie zwei Untersuchungsgefangene, die viel später erst als B-Soldaten der Sonderbrigade Dirlewanger identifiziert werden können.
Schon jetzt steht fest, daß im Keller eine Höllenmaschine mit enormer Sprengkraft gezündet wurde. Die Täter müssen sich mindestens eine halbe Stunde ungesehen im schwerbewachten Haus aufgehalten haben. Wie sind sie hineingekommen? Wodurch konnten sie die Posten ablenken? Bestechung vielleicht? Oder Überläufer?
Erst Stunden später wird man die Posten finden. In einem Schuppen. Tot. Erstochen. Teilweise ausgezogen …
Damit ist ein Rätsel gelöst: Die Partisanen haben mit Sicherheit die einzelnen Wachtposten überfallen und ermordet, haben sich in deren Uniformen den anderen Soldaten genähert, sie erledigt, das Haus gestürmt, die Höllenmaschine montiert und sich vor der Explosion entfernt. Nur ein paar Attentäter blieben als Sicherung zurück.
Während sich die frierende Stadt in ein Treibhaus verwandelt, während die Nervosität ihre schillernden Blüten treibt und sich die Verfolger gegenseitig selbst beschießen, während die ersten Verdächtigen in einer Baracke eingeliefert und von den Dolmetschern zunächst pauschal vernommen werden, hat eine Außenstreife vierzehn Kilometer vom Tatort entfernt die erste Feindberührung.
Ein Doppelposten hört hinter einer Nebelwand Schritte und Stimmen, seltsam verwischt, gedämpft. Es hört sich an wie Kommandos. Die beiden Landser glauben zuerst, einen Trupp deutscher Soldaten vor sich zu haben, der sich bei einer Nachtübung verlaufen hat.
Die Stimmen kommen näher. Die beiden Posten erkennen gleichzeitig, daß es Russen sind, Iwans, die nachts hier nichts zu suchen haben. Sie lassen sie noch dichter herankommen. Der linke Soldat ruft die Männer, deren Konturen sich undeutlich im Nebel abzeichnen, an und wird beschossen. Der Posten erwidert unverzüglich das Feuer aus seiner MP, schießt in die Nebelschwaden hinein, wird vom zweiten Wachhabenden unterstützt.
Die Schüsse alarmieren die bereitstehenden Einheiten. Ein Landser fällt fast über einen verwundeten Russen, beugt sich über ihn und ruft nach seinem Nebenmann. Er sieht die Handgranate und fliegt in Deckung. Gerade noch rechtzeitig. Der Partisan wurde offensichtlich von seinen eigenen Leuten getötet.
Die wilde Verfolgungsjagd verliert sich irgendwo in den Frühnebel. Der Zwischenfall wird nach Minsk gemeldet und gibt den Startschuss zum Kesseltreiben. Die Wellenringe des Attentats ziehen weiter, werden größer, erfassen nach und nach das gesamte Hinterland, berühren auch das Hauptquartier der Brigade Dirlewanger, die sich, wie jede andere deutsche Einheit, in die Verfolgung einschaltet.
Zielstrebig und rücksichtslos stößt die fieberhafte Jagd tief in den russischen Raum hinein.
Der schwere Wagen kommt auf der eisglatten Straße ins Schleudern, rutscht nach rechts, scheinbar endlos, auf den Graben zu. Der Fahrer fängt ihn mit dem Gaspedal ab, tritt zu heftig. Der Lkw schleudert nach der anderen Seite, landet in einer Eisrinne.
Die Sonderbrigade Dirlewanger ist an der Spitze der deutschen Verbände, die gezielt ins Leere stoßen. Der erste Zug ist erstmals während eines Einsatzes motorisiert. Dieses deutliche Zeichen der Gunst läßt Paul Vonwegh in den Augen seiner Leute zu einem Halbgott werden.
Gruhnke, der Berliner Ganove, starrt auf den Boden. Jeden Stoß der harten Federung spürt er im Kopf. Einmal kommt es vom gestrigen Wodka, und dann weiß er,
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