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Brigade Dirlewanger

Brigade Dirlewanger

Titel: Brigade Dirlewanger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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Verein?« fragt er den Spieß.
    »Nein, Standartenführer«, entgegnet Müller-Würzbach beflissen.
    »Und jetzt spielen ausgerechnet Sie … so ein rotes Schwein … hier den Muster-Soldaten …«, wendet sich Dirlewanger wieder Paul Vonwegh zu, »und das soll ich Ihnen abnehmen?« Er trinkt den vor ihm stehenden Schnaps aus und spielt fuchtelnd mit dem leeren Glas wie mit dem Schicksal des Zugführers. »Also, raus mit der Sprache!« faucht er ihn an.
    »Ich will leben, Standartenführer«, erwidert Vonwegh kalt und unpathetisch, »ich will essen, atmen, durchkommen … Ich will heraus aus dieser Scheiße!«
    »Hm«, versetzt Dirlewanger, »und auf welcher Hochschule hat man Ihnen diese Weisheit beigebracht?«
    »Im KZ Buchenwald«, antwortet Paul Vonwegh. »Ich wurde umgeschult …« Er sagt es sachlich, aber der Spott schaut seinen Worten über die Schulter.
    Dirlewanger denkt krampfhaft nach. Auf seinem lebenden Totenkopf stehen Stirnfalten. Sein Gesicht wirkt verkniffen, verbissen. Plötzlich entspannt es sich. Das Lachen kommt von unten herauf. »Sie können sich gratulieren, Vonwegh«, sagt er dann, »zu Ihrem Humor und zu meiner Großzügigkeit …« Diesmal lacht der Chef des Sonderkommandos kurz und trocken; das Geräusch paßt zu seiner Krähenvisage. »Aber daß ein Kerl wie Sie … bei diesem roten Gesindel … sich herumgetrieben hat?« Sein Gesicht zeigt wieder die charakteristische Tücke. »Was waren Sie eigentlich«, fragt er scharf, »Sozi oder Kommunist?«
    »Republikaner«, antwortet der Zugführer, »liberal.«
    »Ach, nee …«, versetzt Dirlewanger, »interessant … intellektuell … blass-blau-lila, was? Einer von diesen Burschen ohne Mumm in den Knochen … Ein Kerl wie Sie!« wiederholt er. »Sie sehen doch gar nicht aus wie so ein Quasselfritze …« Er geht an seinen Platz zurück, bedient sich aus der Flasche. »Stehen Sie bequem«, sagt er dann gönnerhaft, »oder besser … kommen Sie gleich her. Wenn ich was von Spanien höre, werde ich sentimental … Mensch, Weiber …«, sagt er zu Oberscharführer Weise und schnalzt mit der Zunge, »was anderes als dieses Russenpack!«
    Der Standartenführer kommt ins Erzählen. Seine Suite genießt mit. Vonwegh ist Dirlewangers Tischgenosse und kämpft gegen den Brechreiz. Der Wodka schmeckt wie Salzsäure. Aber der Mann mit dem Ziel auf der steinigen Straße des Hasses gießt ihn hinunter. Dirlewanger übersieht es nicht; er animiert den armen Lazarus an der Tafel des reichen Prassers, als sei der Zugführer ein Mädchen, das er verführen möchte. Es fallen Namen, Ortschaften, Erinnerungen, weit von unten im Süden. Der Standartenführer interpretiert auf seine Weise die Stationen der spanischen Tragödie, die zugleich der Untergang Paul Vonweghs waren – in einem Land, in dem er nichts zu suchen hatte, in einem Kampf, der alle anging. Und weil ihn die einen verschlafen hatten, mußten ihn später die anderen, die Narren, die Idealisten, die Vonweghs, ausbaden …
    Und der Standartenführer zeigt sich wieder in seinem Element. Sein Element ist Blut. Wieder geht er unter dem brennenden Himmel Spaniens über Leichen, stellt er Zivilisten an die Wand, läßt er bombardieren, niederbrennen, ausrauben, füllt er die Taschen und die Freudenhäuser, als Angehöriger der Legion Condor. Condor, das ist ein Aasgeier – nie hatte eine nutzlosere Division einen sinnvolleren Namen.
    Mitten im Suff springt Dirlewanger auf. »Nehmen Sie Haltung an!« schreit er Paul Vonwegh an.
    Wieder ist es still.
    »Ich ernenne Sie hiermit«, brüllt er, »zum SS-Unterscharführer … Den Rest Ihrer Bewährungszeit werden Sie unter meiner Leitung beim Stammpersonal hinter sich bringen …«
    Er lacht heiser. »Schließlich sind wir alte Spanien-Kameraden!«
    Das Gesicht des Zugführers bleibt unbewegt.
    »So …«, setzt der Standartenführer hinzu, »und nun heben wir noch einen!«
    Paul Vonwegh beißt die Zähne aufeinander. Wieder hat er ein Teilziel geschafft. Aber es kotzt ihn an. Er ertränkt seine ekligen Gedanken wie ein roher Bauer junge Katzen. Er legt sich die Schwaden des Alkohols um die Schultern wie eine Stola und starrt seinen Gönner an: diesen zuckenden Totenkopf, dieses mordende Wrack, diese untilgbare Schande der Zeit …
    Paul Vonwegh greift nach dem Glas, spannt die Finger darum, bis die Knöchel weiß werden. Und er sieht dieses Gesicht, diese schaukelnde Fratze.
    »Ihr Glück, daß Sie saufen können!« knurrt Dirlewanger,

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