Brigade Dirlewanger
besondere Sensation: Paul Vonwegh steht nicht mehr in Reih und Glied, sondern jenseits der Formation, in der Uniform eines Unteroffiziers; noch kommt er sich vor wie ein Clown bei der Beerdigung.
Die Sonderbrigade rückt heute nicht zum Holzkommando aus, sondern bleibt in Alarmbereitschaft. Falls Marias Prozedur Ergebnisse zeitigt, geht es heute noch in den Partisaneneinsatz.
Beim Wegtreten ist auf einmal der gewerbsmäßige Hochstapler Kuberg an Vonweghs Seite. »Gratuliere«, sagt er mit weltmännischer Lässigkeit. »Wenn ich Sie nicht inkommodiere … hätte ich gerne mit Ihnen gesprochen …«
»Bitte«, entgegnet der Zugführer, auf seinen Ton eingehend.
»Mir gefällt es hier gar nicht«, versetzt Kuberg, »mir bekommt diese Einheit nicht … Wissen Sie, ich bin internationale Schauplätze gewöhnt … Nizza, Deauville, Westerland … Aber das hier …«
»Ist nicht konkurrenzfähig, was«, antwortet Vonwegh und muß unwillkürlich über den komischen Vogel lachen.
»Ja … und da hätte ich mir gern einen Rat geholt, Herr Vonwegh.«
»Bitte …«
»Ich möchte abhaun … Vielleicht können Sie mir eine günstige Fluchtroute nennen …«
»Bedauere«, versetzt Vonwegh, »Ihnen nicht dienen zu können …« Dann wird er ernst. »Sie Idiot!« knurrt er. »Ein Wort, und Sie sind erledigt … tot …«
»Mag sein«, entgegnet Kuberg, »aber Sie werden dieses Wort nicht sprechen … Sie nicht … Wissen Sie, in meinem Fach ist man Psychologe …«
»Es gibt keine Chance … so herauszukommen«, erklärt der Zugführer. Er überlegt kurz und zählt dann alle Sicherheitseinrichtungen auf. Mag es der Mann verwenden, wie er will. Abschließend sagt er: »Lassen Sie es sich nicht einfallen, hier abzuhauen … solange Sie bei mir im Dienst sind!« Er lächelt breit. »Wenn Sie Reisepläne haben«, setzt er hinzu, »dann lasse ich Sie einem anderen Kommando überstellen, kapiert?«
»Ich werde Ihnen doch keine Ungelegenheiten bereiten, Herr Vonwegh«, versichert der Hochstapler, »und herzlichen Dank!«
Der Zugführer sieht ihm nach. Wird schön, denkt er belustigt, jetzt haben wir noch einen Hofnarren …
Dann geht Paul Vonwegh in die Datscha und holt sich die Sonderverpflegung ab, die er ab heute erhält. Er verstaut geschickt ein paar Kanten Brot für seine Leute. Viel wichtiger aber ist eine andere Vergünstigung: Er darf ab sofort schreiben. Vielleicht bringt er die Briefe ungeöffnet durch. Er schreibt den gleichen Text an fünf verschiedene Bekannten, wie er vorsichtig seine früheren Freunde nennt. Immer die gleiche Bitte: Rückfrage bei der schwedischen Botschaft nach dem Schicksal Karens.
Am frühen Nachmittag ist er damit fertig.
Er müßte seine Klamotten packen und ins Schloß übersiedeln, aber er läßt sich Zeit damit. Durch das Waldlager geistert die aufdringliche Ruhe vor dem Sturm.
Nichts rührt sich. Paul Vonwegh ist einer der wenigen, die wissen, warum der Standartenführer heute so zimperlich auf der Stelle tritt. Seine Opfer kommen nur in verschärften Arrest, und das ist bei der Sonderbrigade fast eine Luxusstrafe. Kein Schauhängen, keine Auspeitschung …
Dirlewanger hat andere Sorgen. Die Untersuchung von Minsk hat einen vorläufigen Schlußbericht erstellt. Einerseits bezeichnet der Nachfolger des ermordeten Obersten Prinz den Anschlag als ein gezieltes Unternehmen russischer Partisanen, aber das Ergebnis läßt durchaus die Möglichkeit zu, daß die Täter in den eigenen Reihen zu suchen seien, die sich der Hilfe russischer Hiwis versicherten. Das wiederum deutet automatisch auf Dirlewanger hin, dem am meisten daran gelegen sein mußte, Prinz zu beseitigen.
Maria hat sich als Spitzel bewährt. Die Russin mit dem entstellten Gesicht horcht die beiden anderen Mädchen aus und bringt genau das mit, was Dirlewanger im Moment dringend braucht: die Meldung über eine Massierung von Partisanen in einem Planquadrat, in dem sie die Sonderbrigade längst ausgerottet hatte.
Dirlewanger gibt eine Warnung nach Berlin durch und setzt, ohne eine Antwort abzuwarten, seine zerlumpten Desperados in Marsch. Er ist gerissen genug, zwei Kompanien in die falsche Richtung zu schicken, um den Hauptstoß zu tarnen. Das Gros, die Mitte, kommt in der Nacht rasch voran und hat am frühen Morgen die erste Feindberührung mit den Partisanen. Ihre Vorposten werden überrascht und niedergemacht. Der Standartenführer drängt auf Verfolgung. Die Sicherung wird zugunsten des Tempos
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