bright darkness - strahlende Dunkelheit (German Edition)
Schließlich wuchs der Wunsch in mir, genauso schön, schnell und stark zu sein wie sie. Dann würde ich auf keinen anderen angewiesen sein. Niemand wäre gezwungen mich zu beschützen, denn ich wäre in der Lage, selbst auf meine Familie und mich aufzupassen.
Während ich mir so meine Gedanken über meine zukünftigen Fähigkeiten und körperlichen Veränderungen machte, kaute ich genüsslich an meinem Brötchen. Es war bereits das dritte und allmählich wurde ich satt. Den letzten Bissen spülte ich, ohne mir vorzustellen dass es Blut wäre, mit einem großen Schluck Orangensaft runter.
„Hat es geschmeckt?“, fragte William, der, mit einem Lächeln auf den Lippen, gemütlich neben mir saß und zusah, wie ich das Frühstück förmlich verschlang.
„Sehr.“ Ich stieß einen lauten Atem aus und lehnte mich übersättigt zurück. Mein Bauch fühlte sich wie ein prall gefüllter Fußball an.
„Geht es dir nicht gut?“
„Ich glaube, das letzte Stück war zu viel. Ich muss nur mal kurz verdauen und dann räum‘ ich auf.“
„Lass nur. Das mach‘ ich schon.“
Mit einem Satz schoss er hoch, zischte zwischen Wohnzimmer und Küche in Windeseile hin und her und räumte das Geschirr weg. Noch bevor ich aufstehen konnte, um ihm zur Hand zu gehen, war der Tisch sauber und er neben mir auf dem Sofa. Einen Arm um meine Schulter gelegt und in der anderen die Fernbedienung in der Hand. Er schaltete die Nachrichten an. Erstaunlich.
„Darf ich dich was fragen?“, bat ich zögerlich.
„Klar. Was möchtest du wissen?“
„Läuft da eigentlich etwas zwischen Jeremy und Amanda?“
Er schien überrascht über meine Frage zu sein.
„Wie kommst du darauf?“
„Naja, ich dachte, ich hätte da so eine Art Spannung zwischen ihnen bemerkt. Zumindest würden sie gut zusammenpassen.“
„Soweit ich weiß, mögen sich die beiden sehr gerne. Doch Amanda hatte keine einfache Vergangenheit. Sie ist männlichen Vampyren gegenüber sehr reserviert.“
„Warum?“
„Sie wurde von einem Vampyr gebissen und achtlos liegen gelassen. Die Spuren ihres Kampfes waren an ihrem Körper abgezeichnet. Ihr Körper war von blauen Flecken und Knochenbrüchen übersät, als Jeremy sie gefunden hatte. Nachdem sie die Verwandlung nur knapp überlebt hatte, nahmen wir sie bei uns auf. Es dauerte sehr lange, bis sie zu Jeremy und mir vertrauen gefunden hatte.“
„Aber ihr habt sie doch gerettet.“
„Ihre seelischen Wunden sind zu tief. Jeremy verliebte sich in sie, und soweit ich es beurteilen kann, mag auch sie ihn mehr als einen Freund.“
„Was spricht dann dagegen?“
„Jeremy ist sehr zurückhaltend, was seine Gefühle betrifft, und Amandas tragische Vergangenheit holt sie auch heute noch zu oft in ihren Träumen ein. Sie braucht Zeit. Es ist nicht sehr einfach sich einem Mann zu öffnen, wenn man am eigenen Leib erlebt, hat wie brutal, böse und mörderisch es sein kann.“
„Aber Jeremy ist nicht so.“
„Nein, ist er nicht. Aber für Amanda spielt es keine Rolle, welcher Mann es ist. Sie schreckt innerlich vor Männern, speziell Vampyrmännern, zurück.“
„Weil sie weiß, dass sie stärker sind als sie.“
„Ja. Es ist furchtbar, denn manchmal kann ich ihre Zuneigung zu Jeremy deutlich sehen. Doch dann kommen auch all die schmerzlichen Erfahrungen in ihr hoch. Es ist, als ob sie innerlich verbrennt. Für Jeremy ist es noch schrecklicher. Er würde nichts lieber tun, als sie von ihren Qualen erlösen, doch das kann er nicht. Sie muss selbst damit fertig werden. Und wir können nur hoffen, dass es ihr irgendwann gelingt.“
„Es muss schwer sein, wenn man seine Gefühle ständig unter Kontrolle haben muss.“
„Glücklicherweise schafft sie es ganz gut.“
„Vielleicht gibt es für die beiden ja doch noch irgendwann ein Happy End“, sagte ich traurig.
„Das würde ich mir für die beiden wünschen.“ In seiner sanft klingenden Stimme lag aufrichtiges Mitgefühl und Hoffnung.
Das musste auch die Ursache für Jeremys ständige Gefasstheit und Selbstbeherrschung sein. Es musste der blanke Horror sein, wenn er die komplette Wucht ihrer brennenden zerreißenden Qualen mitbekam, aber nichts für sie tun konnte. Ich erinnerte mich an meinen Traum von meiner sterbenden Mutter. Die furchtbare Hilflosigkeit stellte eine Zerreißprobe dar, die nicht besiegt werden konnte. Jetzt wurde mir auch klar, warum Amanda so ruhig und zurückgezogen war. Sie wollte ihr Gefühlschaos hinter ihrer Mauer verbergen, um die
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