Bring mich heim
vor geschlossen.
»Bitte«, flüsterte sie.
Ich öffnete die Augen und sah direkt in ihre blauen. Sie wartete geduldig.
»Es war vor über einem Jahr«, fing ich ängstlich zu erzählen an. »Es ging mir nicht gut, war ständig krank. Bis ich eines Tages zusammenbrach. Im Krankenhaus wurde ich schließlich wach.«
Kriszta wollte mir ihre Hand reichen, doch ich versteckte meine sofort hinter dem Rücken. Sie sah mich liebevoll an, sagte dann: »Es ist gut. Ich bin es nur. Komm, gib mir deine Hand.« Sie drehte ihren rechten Arm um, sodass ihre Handfläche zu sehen war. »Leg deine drauf. Ich werde nicht zudrücken oder mich bewegen. Lass sie einfach liegen. Okay? Versuch es«, ermutigte sie mich.
Zitternd holte ich meine Hände hervor. Die eine legte ich in meinen Schoß. Die andere hielt ich bibbernd in der Höhe. Ich kannte sie, sie würde mir nichts tun. Meine Hand war nur wenige Millimeter von ihrer entfernt. Sie nickte mir zuversichtlich zu, lächelte mich dabei an. Vorsichtig senkte ich den Arm. Mein Puls stieg sofort an. Das Hämmern meines Herzens konnte ich laut in meinen Ohren hören. Kriszta nickte mir abermals zu. Ich sah zu unseren Armen und legte meine Hand in ihre. Sie lag einfach nur da. Niemand von uns bewegte sich. Kein Zucken, gar nichts. Ihre Wärme erwärmte meine kalten Finger. Es fühlte sich eigentlich gut an. Zufrieden sah sie zu mir hoch. Ein glückliches Lächeln war in ihrem Gesicht. Meine Gefühle spielten gerade verrückt. Ich wollte loslassen. Ich wollte festhalten. Ich war stolz auf mich. Ich wollte mehr. Also drückte ich zu. Ihr Grinsen wurde breiter.
»Ich wusste, du schaffst das«, sagte sie leise.
Überglücklich sah ich sie an und erzählte weiter. »Ich dachte, ich hätte vielleicht irgendeinen Virus, aber leider nein.« Ich atmete tief ein. »Sie fanden einen Tumor, nein eigentlich zwei. Bösartig. Der zweite war schon eine Metastase. Mein Arzt sagte, ich sollte von nun an jeden Tag als einen neuen sehen.«
»Mia ...«, sagte sie traurig, ihre Augen wässrig.
»Nein, bitte kein Mitleid.« Sie nickte mir zu. »Ich war lange im Spital, danach Chemo. Meine Haare wurden weniger. Ich ... ich schnitt sie einfach ab. Es ging mir nicht gut, ich verstand nicht, wieso genau mir das passieren musste.« Ich sah zu unseren noch immer aufeinanderliegenden Händen herunter. »Es ging nur mehr bergab. Und dann beendete Christoph unsere Beziehung. Er ... weißt du, was er getan hat?«, sagte ich aufgebracht. »Er verließ mich wegen Julia. Meiner Freundin. Nein, keine Freundin mehr. Sie hatten in der Zeit, wo ich so oft in das Krankenhaus musste, eine Affäre.«
Kriszta sah mich geschockt an. »Nein, oder?«
Ich nickte ihr nur zu, ein Schmunzeln entkam mir. Es war ja wirklich lächerlich. »Das zerstörte mich, du weißt, was ich für ihn empfand. Ich wollte nicht mehr, Kriszta«, flüsterte ich.
»Du bist noch hier«, sagte sie sanft. Ich bejahte.
»Papa fand mich. Ich bin in Therapie und es geht mir nun besser. Nur nicht gut. Mir fehlt die Lust. Die Lust zum Leben. Es ist immer dasselbe, jeden Tag. Mein Therapeut schickte mich fort.«
Sie sah mich leicht irritiert an. »Fort?«
»Ja, fort. Er meinte, ich soll weg von daheim, um Abstand zu gewinnen. Vielleicht würde ich dann wieder wissen, wie schön alles ist.«
»Du bist gesund, oder?«, fragte sie mich.
Ich zwang mich zum Lächeln. Zuversichtlich drückte sie meine Hand.
Kapitel 16
Samuel – Finde Mia
Budapest, Juni 2012
Schließlich fand ich doch in den Schlaf. Jedoch gut war etwas anderes.
Ich schlüpfte aus dem Bett, streckte mich, gähnte und ging ins Badezimmer.
Nach einer kalten Dusche fühlte ich mich zumindest mal wacher. Mit dem Handtuch um die Hüften gebunden ging ich zu dem Bett, leerte meinen Rucksack aus und suchte nach dem iPad. Mein Kopf war voll mit einem Gedanken »Wo ist sie?« Ich durchsuchte alle Social-Media-Plattformen nach ihr. Aber ohne Ergebnis. Entweder sie hielt nichts von diesen Zeitverschwendungen und war tatsächlich nicht im Internet präsent oder sie gab mir schlichtweg einen falschen Namen.
Ich würde es wohl nie herausfinden.
Mist verdammter ...
Frustriert ließ ich mich auf das Bett fallen, fuhr mir durch meine klatschnassen Haare. So hatte ich mir diese Reise nicht vorgestellt. Eigentlich wollte ich abschalten, nicht an schöne grüne Augen denken. Nur konnte ich nicht anders. Sie gingen nicht aus meinen Gedanken. Ich weiß es nicht wieso und was es war, ich musste einfach mehr
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