bringen alle in Schwung
verblüfft. Damit, dass eine der Lehrerinnen auftauchen würde, hatten sie rechnen müssen; das kannten sie. Aber nicht damit, dass sie Guten Abend sagte und ein Würstchen wollte, und zwar bitte mit Senf. Das war neu, das hatte es noch nicht gegeben.
Hanni gab sich einen Ruck. Man musste den Teufel bei den Hörnern packen, fand sie. Und in diesem Fall sah der Teufel in Gestalt von Frau Martin, die mit Appetit ihr Würstchen verzehrte, gar nicht so teuflisch aus.
„Sind Sie böse?“, fragte sie. „Ich meine, weil wir hier im Wald Jennys Geburtstag feiern.“
Frau Martin schüttelte den Kopf.
„Böse? Nein, wirklich nicht. Ach, Jenny, hast du noch ein Würstchen übrig?“
„Woher haben Sie es denn gewusst?“, erkundigte sich Bobby, die sich auch wieder gefasst hatte.
Frau Martin lachte, dass ihr Busen unter dem rosenbestickten Hemd wackelte.
„Ach, Bobby, für wie blöd haltet ihr mich denn?“, lachte sie. „Ich habe acht Jahre im Internat verbracht. Was glaubst du, was wir damals getan haben, wenn eine von uns Geburtstag hatte? Ich wusste doch, dass heute ein Fest steigen würde. Ich wusste bloß nicht, wo. Ich musste in euren Zimmern nachsehen, dann im Turnsaal, im Musikzimmer und im Gewächshaus. Da war niemand. Also dachte ich mir, gehst du mal in den Garten und in den Wald, da findest du die lieben Mädchen. Und ich habe sie gefunden. Übrigens sind eure Würstchen ausgezeichnet.“
„Hoffentlich mag sie auch Sardinen und Kuchen“, flüsterte Nanni ihrer Nachbarin zu. „Das war nämlich das letzte Würstchen.“
Frau Martin war nicht heikel. Sie aß auch mit Genuss ein Sardinenbrot.
„Und Frau Theobald?“, wagte sich Hanni vor.
„Natürlich weiß sie es“, sagte Frau Martin und schluckte ein Essiggürkchen. „Nicht unbedingt, dass ihr heute hier seid. Aber sie weiß, dass ihr manchmal solche Feste feiert. Sie kann und will das nicht erlauben. Außerdem würde es euch dann auch nur halb so viel Spaß machen. Aber sie weiß, dass ihr nichts Schlimmes tut. Wenn ihr hier ein Feuer angezündet hättet oder Alkohol trinken und rauchen würdet, dann hätte ich mich nicht zu euch gesetzt und eure Würstchen gegessen. Dann wäre ich ganz anders. Dann hieße es, Feuer aus, Flaschen weg, hopp, hopp, ins Haus und in die Betten, und morgen früh gäbe es ein sehr, sehr ernstes und unerfreuliches Gespräch. Gott sei Dank ist es nicht so. Dass ihr hier im Wald sitzt, euch die Bäuche vollschlagt und Musik hört, das ist okay, dagegen habe ich nichts, vorausgesetzt, ihr macht das nicht dreimal die Woche und schlaft im Unterricht ein.“
Sie lachte und die Mädchen lachten auch; sie waren glücklich und erleichtert und Roy Bernhard sang wieder einmal „Please release me“.
„Darf ich die Torte noch anschneiden?“, fragte Jenny.
„Natürlich, war ja nicht ganz einfach, sie hierherzuschaffen!“ Die Spannung war gebrochen.
Sie aßen Kuchen und Mohrenköpfe, und zwar mit den Fingern, denn Jenny hatte die Gabeln vergessen. Sie sangen „Please release me“. Frau Martin sang mit. Sie redeten über vieles, über sich selbst, über Dinge, die sie sonst nicht auszusprechen wagten. Anja erzählte mit einem Mohrenkopf in der Hand von ihrer Furcht, nicht genug geliebt, wegen ihrer körperlichen Probleme nicht für voll genommen zu werden. Katrin überwand ihre Schüchternheit und sprach darüber, dass diese Schüchternheit ihr Kummer bereitete. Frau Martin ihrerseits hatte als junges Mädchen beinahe ihr Studium abgebrochen, um als Sängerin mit einer Countryband herumzuziehen.
„Heute bin ich froh, dass ich Lehrerin geworden bin“, sagte sie. „Aber damals habe ich lange geschwankt. Und Countrymusic mag ich immer noch.“ Sie lachte. Dann schaute sie auf ihre Uhr. „Halb zwei. Ich glaube, das war‘s für heute.“
Die Mädchen wären gerne noch geblieben. Die Stimmung war wunderbar, so ganz besonders. Doch Frau Martin hatte erklärt, die Party wäre zu Ende.
Sie sprangen auf, räumten eifrig Teller und Becher zusammen und schüttelten die Decken aus.
Als Nanni mit ihrer Schwester einen Haufen Abfall in eine Tüte füllte, murmelte sie Hanni zu: „Also, die Frau ist klasse. Von mir aus kann sie weiteressen und noch dicker werden und noch buntere Kleider anziehen - aber sie gefällt mir.“
Hanni nickte. Wie meistens waren die Zwillinge sich einig.
Bevor sie aufbrachen, warf Frau Martin einen prüfenden Blick über die nachtdunkle Lichtung.
„Eine oder zwei von euch sollten morgen nach dem
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