Brisante Enthüllungen
zurückkommen hörte, zog sie die Decke höher und schloss die Augen.
"Paola, ich weiß, dass du nicht schläfst. Wenn wir allein sind, brauchst du dich nicht zu verstellen", erklärte er, nachdem er sich hingelegt hatte.
Nach kurzem Zögern blickte sie ihn über die Schulter hinweg an. Er hatte sich auf das Keilkissen gestützt und beobachtete sie. "Ich möchte jetzt schlafen. Es war ein anstrengender Tag", entgegnete sie kühl.
"Den krönenden Abschluss bildete vermutlich dein Gespräch mit Emilio", stellte er fest. "Wo habt ihr miteinander gesprochen?"
"Er ist zufällig auf die Terrasse gekommen, als ich dort stand", antwortete sie ausweichend.
"Bei Emilio ist nichts Zufall, meine Liebe", klärte er sie spöttisch auf. "Alles ist Absicht. War es eine angenehme Unterhaltung?"
"Nein. Hoffentlich besucht er dich nicht allzu oft."
"Er besucht nicht mich, sondern seine und meine Tante Antonia. Normalerweise kommt er nur, wenn ich nicht da bin. Weil er morgen sehr früh zurückfahren will, lässt er dir etwas ausrichten."
"Was denn?" Polly richtete sich auf. Sie ahnte nichts Gutes.
"Er lässt dich grüßen und hofft, dass du dich immer an unsere Hochzeitsnacht erinnern wirst." Sandros Stimme klang seidenweich.
"Unsere Hochzeitsnacht werden wir beide sowieso nie vergessen", erwiderte sie kurz angebunden.
"Das stimmt. Aber ich bin überrascht darüber, dass du mit Emilio so intime Dinge besprochen hast."
"Du liebe Zeit, das habe ich doch gar nicht getan", fuhr sie ihn ärgerlich an. "Er ist ein widerlicher Kerl, und ich verstehe nicht, warum ihn noch niemand mundtot gemacht hat."
"Das haben schon viele versucht, aber bisher ist es niemandem gelungen. Man hat ihn beispielsweise in Venedig in den Canal Grande und in Lucca von einem Balkon gestoßen. In Rom ist sogar auf ihn geschossen worden", erzählte Sandro.
Polly musste lachen. "Wie schade, dass er überlebt hat."
"Ja", stimmte er ihr zu. "Aber er tut mir in gewisser Weise Leid. Jahrelang hat er darauf gewartet, dass mir etwas zustößt und er das Erbe antreten kann. Nach dem Autounfall hat er sich sicher schon am Ziel seiner Wünsche gesehen. Ich lebe jedoch immer noch, habe sogar eine Frau und einen Sohn, und er muss seine Hoffnung auf das Valessi-Erbe endgültig begraben."
"Warst du deshalb so entschlossen, Charlie mitzunehmen? Wolltest du Emilio ausschalten?"
"Es hat eine gewisse Rolle gespielt", gab er zu. "Aber mir ging es vor allem um den Jungen selbst. Das weißt du doch, Paola, oder?"
"Ja." Das ist so ungefähr das Einzige, was ich wirklich weiß, dachte sie. Sie konnte Emilios Andeutungen nicht vergessen. Sie beunruhigten sie, und sie erbebte.
"Frierst du?" fragte Sandro prompt. "Soll ich dir eine Wolldecke holen?"
"Nein, das ist nicht nötig." Sie setzte sich auf. "Was mache ich eigentlich hier? Warum habe ich mich auf die ganze Sache eingelassen? Ich verstehe überhaupt nicht, was um mich her geschieht."
Sekundenlang schwieg er. "Momentan verbringen wir beide eine lange und schwierige Nacht miteinander. Wir werden sehen, was der neue Tag bringt. Schlaf jetzt." Er legte sich auf den Rücken.
Sie legte sich auch wieder hin. Die Stunden vergingen quälend langsam. Polly hörte Sandro ruhig und regelmäßig atmen und wagte nicht, sich zu rühren, denn sie wollte ihn nicht stören.
Seelisch und körperlich fühlte sie sich erschöpft, fand jedoch keine Ruhe. Alle möglichen Gedanken gingen ihr durch den Kopf. Als sie schließlich einschlief, träumte sie von Sandro. Es waren schreckliche Träume. Sie hatte Angst, ihn endgültig zu verlieren, versuchte, hinter ihm herzulaufen, und rief immer wieder seinen Namen. Endlich schlossen sich seine Arme um sie. Sie war in Sicherheit, es konnte ihr nichts mehr passieren.
Als Polly am nächsten Morgen aufwachte, fühlte sie sich entspannt. Das Bett neben ihr war leer, wie ihr sogleich auffiel. Auch gut, dafür sollte ich dankbar sein, sagte sie sich.
Sie richtete sich auf und strich sich das Haar aus der Stirn. Es war sehr warm im Zimmer, und die Fensterläden waren geschlossen. Mit einem Blick auf die Uhr stellte sie zu ihrem Entsetzen fest, dass es beinah Mittag war.
Plötzlich klopfte es an der Tür, und Rafaella kam mit einem Tablett in den Händen herein. "Guten Morgen, Signora", begrüßte sie Polly lächelnd.
"Der Morgen ist fast vorbei." Polly machte eine hilflose Handbewegung. "Warum haben Sie mich nicht geweckt?"
"Weil der Marchese mir aufgetragen hat, Sie schlafen zu lassen."
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