Brisante Enthüllungen
Rafaella stellte das Tablett auf das Bett.
Polly entdeckte die rote Rose und die Karte, die zwischen der Kaffeetasse, dem Glas mit dem Orangensaft, den Brötchen, dem Topf mit dem Honig und den frischen Früchten lagen. Sie nahm die Karte in die Hand. "Tausend Dank, mein Liebling – Alessandro", stand darauf.
Sie errötete. Es war ihr peinlich, dass jetzt wahrscheinlich alle im Palazzo davon sprachen, sie und Sandro hätten eine heiße Liebesnacht verbracht. Natürlich hatte er die Karte absichtlich geschrieben, um den Eindruck zu verstärken, dass sie eine richtige Ehe führten. Das half Polly momentan jedoch gar nicht.
"Wo … ist mein Mann?" fragte sie.
"Nachdem er sich von den Gästen verabschiedet hat, ist er mit Carlo und der Kinderfrau zum Hafen gefahren. Ich glaube, der Kleine wollte unbedingt ein Eis essen", berichtete Rafaella strahlend.
"Sein Vater hat ein schlechtes Gedächtnis", stellte Polly fest. "Charlie verträgt das Autofahren nicht. Erst recht nicht, wenn er Eis gegessen hat."
"Oh, dagegen hat Dorotea ein gutes Heilmittel", versicherte Rafaella ihr fröhlich.
Wieso Dorotea, wo ist Julie? überlegte Polly und trank einen Schluck Kaffee.
"Teodoro, der Butler, lässt Ihnen ausrichten, er sei bereit, Ihnen den Palazzo zu zeigen", fuhr Rafaella fort.
"Sagen Sie ihm bitte, dass ich mich auf die Führung freue." Polly bestrich ein Brötchen mit Butter und Honig. "Ich würde auch gern Ihren Großvater kennen lernen und mich für alles bedanken, was er für meinen Mann getan hat. Könnten Sie ein Treffen vereinbaren?" fügte sie betont beiläufig hinzu.
"Sehr gern, Signora. Aber momentan ist er in Salerno bei meiner Schwester, die ihr erstes Kind erwartet. Hat es Zeit bis nach seiner Rückkehr?"
"Natürlich", erwiderte Polly. "Ich verlasse mich auf Sie."
Eine Stunde später ging sie ins Kinderzimmer und hoffte, Charlie sei wieder da. Doch Julie saß ganz allein an dem großen Tisch und blätterte lustlos in einer Zeitschrift.
"Sie sind nicht mit zum Hafen gefahren?" fragte Polly.
Julie seufzte. "Obwohl sie kein Englisch spricht, hat Dorotea mir klar und deutlich zu verstehen gegeben, dass ich unerwünscht sei."
Polly runzelte die Stirn. "Weiß sie denn nicht, dass Sie hier sind, um Charlie zu betreuen?"
"Das ist ja das Problem. Offenbar hat man feste Vorstellungen davon, wie man mit dem Jungen umgehen soll. Vorhin war die Contessa Barsoli hier, um sich zu erkundigen, wann ich nach Hause zurückfliege. Ich glaube, es war ein Fehler, dass ich mitgekommen bin", antwortete Julie.
Polly zauberte ein Lächeln auf die Lippen. "Mich sieht man im Kinderzimmer auch nicht gern. Gestern Abend hätte man mir beinah nicht erlaubt, meinem Sohn Gute Nacht zu sagen. Aber verlieren Sie nicht den Mut. Ich bin sicher, es kann nur besser werden." Hoffentlich habe ich Recht, fügte sie insgeheim hinzu.
Anschließend ließ sie sich von Teodoro durch den Palazzo führen. Es gab so viele Zimmer und so viele Kunstgegenstände, dass sie sich später nicht mehr an alles erinnern konnte. Insgesamt kam ihr alles etwas steif und seltsam leblos vor. Nur Sandros Arbeitszimmer und das angrenzende Sekretariat, in dem seine persönliche Assistentin Signora Corboni saß, bildeten die Ausnahme. Polly betrachtete die modernen Bürogeräte, die so gar nicht zu dem antiken Schreibtisch zu passen schienen.
In jedem Raum gab es mindestens einen Kamin, in einigen Zimmern sogar zwei Kamine. Das war auch nötig, denn man hatte darauf verzichtet, eine Zentralheizung zu installieren.
Die Suite der Contessa durfte Teodoro ihr nicht zeigen, wie er leicht verlegen erklärte. Dafür hatte Polly Verständnis. Deshalb lächelte sie und zuckte die Schultern. Das Beste hatte er sich offenbar bis zum Schluss aufgehoben. Er öffnete eine Tür und verkündete: "Das ist Ihr Wohnzimmer, Vossignoria."
"Oh." Polly war begeistert von dem großen Raum, der behaglich eingerichtet war. Den Boden bedeckte ein dicker, wertvoller Teppich, die beiden Sofas neben dem Kamin wirkten bequem, und die Vorhänge waren farblich auf die vielen Kissen auf den Sofas abgestimmt. Polly stellte sich an eins der großen Fenster und betrachtete die dunkelgrünen Bäume und Sträucher und das blaue Meer dahinter. "Das ist unglaublich schön."
In Teodoros Augen leuchtete es zufrieden auf. Er wies auf die anderen Annehmlichkeiten, den Fernseher, die Stereoanlage und die vielen englischen Bücher in dem hohen, breiten Regal. "Es war das Zimmer der Mutter des Marchese. Er
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