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Britannien-Zyklus 01 - Die Herrin vom See

Titel: Britannien-Zyklus 01 - Die Herrin vom See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana L. Paxson
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selbst zu sorgen, aber in der Lage, schier unglaubliche Berechnungen anzustellen oder ganze Listen von Namen und Überlieferungen wiederzugeben. Ambros aber war etwas anderes, ein wildes Kind mit einem unstillbaren Wissensdurst. Eingedenk der Ratschläge seiner Mutter verhielt er sich still und machte sich nützlich, und sie ließen ihn ihren Beratungen lauschen, wenngleich sie nicht ahnten, wie viel er bereits gelernt hatte.
    Mit elf Jahren wies er den Wuchs eines Vierzehnjährigen auf, mit langen Beinen, klobigen Füßen, einem Kopf, der zu groß für den Körper, und Zähnen, die zu groß für die Kiefer erschienen. Es lag eine Weile zurück, dass Vitalinus ihn zuletzt aufgefordert hatte zu prophezeien. Vielleicht, dachte Ambros, während er den Stimmen der Männer lauschte, verliere ich die Gabe, wenn ich erwachsen werde, und verwandle mich in einen gewöhnlichen Menschen.
    »Ganz gleich, wie sehr man sich bemüht«, sagte der neue Priester, Martinus, »man bleibt Gottes Vollkommenheit dennoch so fern, dass einzig Seine Gnade die Menschen zu erretten vermag, wie Er es vorherbestimmt.«
    Ambros wusste noch nicht, was Martinus ihn lehren konnte, denn der gallische Priester mied ihn nach wie vor und murmelte Beschwörungen gegen den Teufel, wenn ihm der Junge zu nahe kam. Nun sah er, dass Ambros ihn beobachtete; hastig wandte er den wirren Blick ab.
    »Und ich nenne das Ketzerei!«, rief Felix aus. »Ich glaube an einen gerechten Gott, der gute, in seinem Namen vollbrachte Taten belohnt. Wollt Ihr unserem Herrn darlegen, dass all sein Streben, dieses Land zu beschützen, wertlos war? Seit zwölf Jahren halten die Wölfe sich von unseren Grenzen fern, und Britannien blüht und gedeiht wie nie zuvor.«
    Felix galt als Priester der zivilisierten Tradition des späten Kaiserreichs, vermochte über Philosophie ebenso kundig zu sprechen wie über Theologie und duldete Anhänger anderer Glaubensrichtungen ohne weiteres, solange sie für Britannien beteten. Er hatte Ambros gelehrt, hart zu arbeiten und die wunderbare Vielschichtigkeit der Menschheit zu schätzen. Der Junge lächelte, als Felix fortfuhr, denn er hatte all das schon früher gehört.
    »Der Vor-Tigernus hat die Insel Erin befriedet, indem er ihrem König seine Tochter zur Frau gab, und die in Gwenet verbliebenen Iren werden von den Votadini vertrieben. Diejenigen, die versucht haben, Dumnonia einzunehmen, wurden von den Cornovii besiegt, die er dort angesiedelt hat. Coelius und die Armee verteidigen die Länder um Eboracum und Amlodius jene um Luguvalium. Unsere Verbündeten in Dun Breatann und Dun Eidyn stellen ein weiteres Bollwerk gegen die bemalten Menschen des Nordens dar. Im Süden und Osten werden wir von Hengest und seinen Männern vor den sächsischen Wölfen beschirmt, die vormals an diesen Küsten gewütet haben! All diese Streitkräfte stehen unter dem Befehl des Vor-Tigernus!«
    »Eis soll man preisen, nachdem man es überquert hat, einen König, wenn das Bestattungsfeuer brennt…«, knurrte Godwulf. »Jetzt mag Hengest euch wohl schützen, doch das kann er nur, solange Vitalinus seine Männer bezahlt.«
    »Sollen doch die Menschen im Süden und Osten, die in dieser Zeit reich geworden sind, sie bezahlen!«, rief Maglicun dazwischen. »Der Norden muss seine eigenen Verteidiger unterhalten.«
    Es hatte eine Weile gedauert, bis der Argwohn der Druiden gegenüber Ambros sich gelegt hatte, doch letzten Endes hatten sie sich der Verbindung seiner Mutter zur Insel der Maiden besonnen und ließen den Knaben gewähren. Vielleicht hatte auch der Feuereifer damit zu tun, mit dem er von den anderen Weisen lernte; denn wie Maglicun zu sagen pflegte, war es unangebracht, dass ein Kind der uralten Priesterlinie Britanniens nichts von seinem wahren Erbe wusste.
    »Ich glaube kaum, dass sie das tun werden«, meinte Vater Felix unglücklich. »Sie beschweren sich über die Steuern des Vor-Tigernus und reden schon davon, die Söhne des Ambrosius Augustus aus Gallien zurückzuholen, damit sie über sie herrschen sollen.«
    »Vitalinus braucht keine Gerechtigkeit, er braucht Gnade«, warf Martinus ein. »Wenn all sein Streben vergeblich ist, beweist das nicht die Richtigkeit von Bischof Augustinus’ Lehren? «
    »Die Sterne zeigen, dass eine Zeit der Veränderung bevorsteht, doch ich weiß nicht, ob zum Guten oder zum Schlechten.« Gedankenverloren zupfte Mogantius an seinem Bart.
    Ambros hatte festgestellt, dass Mogantius zugänglicher als die meisten anderen war.

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