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Britannien-Zyklus 01 - Die Herrin vom See

Titel: Britannien-Zyklus 01 - Die Herrin vom See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana L. Paxson
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erkennen.
    »Na ja, wenigstens sieht Leudonus recht gut aus«, meinte Morgause schließlich, nachdem sie mit dem zweiten Ohrring fertig war. »Und, wie du mich ja immerzu erinnerst, er ist ein König.« Als sie den Bronzespiegel hochhielt, sah Igraine darin kurz ihrer beider Abbilder – Morgauses rötliche Züge mit den dunklen Augen ihres Vaters und ihr eigenes Antlitz, nach wie vor blass und hell. Doch die Bronze ließ derlei Unterschiede verschwimmen und unterstrich stattdessen die elegante Form ihrer Wangen und Stirnen, die festen Kieferpartien und, jenseits dieser äußerlichen Ähnlichkeiten, ihren Stolz.
    Am Eingang regte sich etwas. Igraine drehte sich um und erwartete die Frauen, die sie zuvor aus den Gemächern verscheucht hatte, weil sie ein wenig Zeit alleine mit dieser ihrer Tochter verbringen wollte, die sie alsbald ein weiteres Mal verlieren würde. Doch es war der Hochkönig – hinter ihm, wie üblich, Merlin.
    Morgause blickte mit kaum verhohlener Feindseligkeit von ihrer Mutter zu Uther, zog sich jedoch ohne ein Wort zurück.
    »Ich hoffe, diese Ehe geht gut«, meinte der König, während er ihr nachschaute.
    »Das ist das Wagnis, das man eingeht, wenn man Kinder so jung und ohne sie zu fragen verheiratet«, gab Igraine zurück, ein wenig schärfer, als sie eigentlich wollte. »Wer vermag zu sagen, ob sie nicht jemanden finden, der ihnen besser behagt, wenn sie erwachsen sind?«
    Uther besaß so viel Anstand zu erröten, woraufhin Igraines gerunzelte Stirn sich glättete. Seit ihrer Hochzeit hatte er Gewicht zugelegt, und von Zeit zu Zeit wurde er von Schwindelgefühlen und Gelenkschmerzen geplagt, was ihr Sorgen bereitete; dennoch musterte er sie immer noch mit jenem leidenschaftlichen Blick, mit dem er sie vor zehn Jahren erobert hatte. Mit Uther erlebte sie die Gemeinsamkeit, die sie sich erträumt hatte, und ihre körperliche Harmonie hatte sich im Lauf der Jahre nur noch gesteigert.
    »Es würde schon reichen, wenn Leudonus im Bett so forsch ist wie im Kampf, schließlich könnten ihre Kinder meine Erben werden…«, meinte er nachdenklich.
    »Aber was ist mit unserem Sohn? Wäre es nicht an der Zeit, dass du ihn an den Hof holst und ihn anerkennst? Wie kann er König werden, wenn ihm niemand beibringt zu herrschen?«
    »Wie kann er König werden, wenn er tot ist?«, entgegnete Uther. »Noch bevor mein Bruder und ich fünfzehn waren, hatte man bereits dreimal versucht, uns zu vergiften. Aurelianus ist nie wirklich darüber hinweggekommen. Und dabei waren wir Ambrosius’ rechtmäßige Söhne!«
    »Willst du damit sagen, Artorius wäre nicht dein rechtmäßiger Sohn?« Igraines Stimme bebte.
    »Nicht nach den Gesetzen der Kirche – wir haben erst im Mittwinter geheiratet. Ein Jammer, dass er zu früh geboren wurde. Verflucht, ich selbst habe bewiesen, wie Gorlosius dich sechs Monde zuvor besucht haben könnte. Der Knabe ist zu jung, um sich dem Getuschel zu stellen, das ihn verfolgen wird, sobald ich ihn anerkenne. Die Menschen wissen zwar, dass du mir ein Kind geschenkt hast, aber viele glauben, es sei tot, und niemand weiß, wo es sich jetzt befindet. Der Junge ist in Sicherheit, Igraine; lass ihn dort!«
    »Ist er das tatsächlich?«, flüsterte Igraine. Sie wandte sich an Merlin. »Er war ein so winziger Wurm, als Ihr ihn mir weggenommen habt. Habt Ihr mir die Wahrheit gesagt, Vetter? Lebt und gedeiht er, oder ist er nur noch ein Haufen zarter Knochen in einem namenlosen Grab?« Dies war ein Alptraum, der sie immerzu heimsuchte – dass Gorlosius’ Geist Uthers Samen irgendwie verdorben hatte.
    »Bei unserer Mutter Seele schwöre ich, dass ich ihn jedes Jahr gesehen habe, seit er geboren wurde«, erwiderte Merlin ruhig.
    »Habt Ihr ihn auch dieses Jahr gesehen?«, rief sie aus. »Ihr habt mich zur Tigernissa gemacht, und als Hochkönigin gebiete ich Euch: Geht zu ihm, Merlin, und berichtet mir jede Einzelheit darüber, wie er aussieht und was er tut! Dann werde ich Euch vielleicht glauben.«
    Die beiden Männer tauschten über ihren Kopf hinweg Blicke. Schließlich nickte Merlin. Igraine wusste, dass die beiden sie zu beschwichtigen trachteten. Vermutlich war es das Wiedersehen mit Morgause, das in ihr ein so drängendes Verlangen entfachte, etwas über ihren Sohn zu erfahren.
    »Ich werde zu ihm reisen«, erklärte der Druide, »sobald die Hochzeitsfeierlichkeiten vorüber sind.«
    Bebend holte Igraine Luft. »Mittlerweile formiert sich gewiss schon die Hochzeitsprozession. Ihr müsst

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