Britannien-Zyklus 01 - Die Herrin vom See
kämpfen.« Er wandte sich an Uther. »Lasst sie für Euch arbeiten. Lasst Euch in Eurer Sänfte vor die Mauern tragen und Eure Männer den Feind verhöhnen, indem sie behaupten, er wäre sogar zu feig, um gegen einen Mann zu kämpfen, der nicht einmal zu reiten vermag.«
Uther lief vor Zorn rot an. »Und was ist mit meiner Ehre?«
»Ist es denn unehrenhaft, die Wahrheit zu sagen?« Merlin sprach mit nüchterner Stimme, doch Igraine konnte die Sorge in seinen Augen erkennen.
»Das ist es nicht, aber Ihr seid der Einzige, der sie mir ins Gesicht zu schleudern wagt«, knurrte der König.
»Und was, wenn die Rechnung aufgeht und sie herauskommen, um gegen uns zu kämpfen?«, fragte Jordanus in die eingetretene Stille. »Dann können wir unsere Reiterei einsetzen, trotzdem sind sie uns zahlenmäßig überlegen. Wir müssen nicht nur siegen, sondern so überzeugend siegen, dass die Sachsen flüchten, um ihre Wunden zu lecken, und nie mehr zurückkehren!«
»Merlin…«, sprach der König bedächtig. »In all den Jahren musste ich Euch nie auffordern, in die Kampfhandlungen einzugreifen. Nun aber frage ich Euch, denn ich sehe keinen anderen Ausweg: Könnt Ihr keinen Zauberspruch ersinnen, um den Feind mit Wahnsinn zu schlagen? Oder um die Geister der Erde heraufzubeschwören, auf dass sie gegen ihn kämpfen?«
Jene Teile im Antlitz des Druiden, die kein Bartwuchs verdeckte, wurden kalkweiß. Plötzlich wurde Igraine bewusst, wie viele silbrige Strähnen das Haar ihres Vetters durchzogen.
»Ihr kennt nicht… den Preis dessen, was Ihr verlangt – «
»Vermutlich nicht. Aber ich glaube, Ihr wisst, was es mich kostet, darum zu bitten!«
Eine lange Weile starrten dunkle Augen in graue, und es war der Druide, der den Blick zuerst abwandte.
»Wohlan…«, flüsterte Merlin. »Ich werde tun, was ich kann.«
Von da an drehte sich die Unterhaltung um Möglichkeiten, die Streitkräfte entsprechend zu verteilen, sollte es gelingen, den Feind herauszulocken. Merlin verließ den Raum beinahe unverzüglich, und wenig später verabschiedeten sich auch die Übrigen und gingen.
»Sie lechzen so sehr nach dem Kampf«, meinte Uther wehmütig. »Ich gäbe meine Seele, um Schulter an Schulter mit ihnen zu kämpfen, aber ich vermag ja kaum ein Schwert zu halten!«
»Ich glaube, es gibt ein Schwert, das du halten kannst«, erwiderte Igraine sanft, »und es wird nicht deine Seele fordern, lediglich dein Versprechen, diesem Land zu dienen.«
»Das habe ich doch bereits bei meiner Krönung gelobt…«, setzte er verständnislos an.
Igraine schüttelte den Kopf, zog die lange Truhe unter dem Umhang hervor, den sie darüber ausgebreitet hatte, und legte sie neben ihn auf das Bett. »Dies hier ist Teil eines älteren Geheimnisses.« Sie spürte, wie ihr Herz schneller schlug, als sie die Truhe öffnete und die Tücher entfernte, in die das Schwert gewickelt war.
»Berühre es!«
Uther umfasste den Griff und zuckte zusammen, ließ los und versuchte es behutsam von neuem. Farbe kam und ging in seinem Gesicht, als die Macht ihn pulsierend durchströmte. Es kostete ihn sichtlich gewaltige Willenskraft, den Griff loszulassen und die Klinge wieder in die Seidentücher zu hüllen.
»Bei Belis feurigen Eiern!«, keuchte er, wobei er zwar nicht unbedingt den richtigen Gott, aber zumindest die richtige Religion anrief. »Dieses Ding wird mich entweder töten oder heilen! Woher – «
»Es wird dich heilen!«, rief Igraine sogleich aus. »Das muss es!« Sie konnte sich gar nicht gestatten, eine andere Möglichkeit in Erwägung zu ziehen, denn er hatte die Truhe bereits dichter an sich gezogen; es war unverkennbar, dass er das Schwert nun unter keinen Umständen je wieder aufgeben wurde.
Und so erzählte Igraine ihrem König die Geschichte der Sarmaten-Klinge, während die Briten sich rings um sie auf die Schlacht vorbereiteten.
Mit gerunzelter Stirn beobachtete Merlin, wie Uthers Sänfte auf das Schlachtfeld getragen wurde. Hinter ihm bezogen die Briten vor dem Westtor von Verulamium Stellung. Kleinere Streitkräfte waren verteilt worden, um die übrigen Tore zu bewachen, doch die Hauptschlacht musste hier stattfinden, wo sich zu beiden Seiten der Straße weitläufiges Weideland erstreckte. Der Himmel über ihnen war klar, im Westen jedoch bildeten sich graue Wolken, und ein rastloser Wind beugte das Gras.
Die Männer wirkten verkniffen, aber entschlossen. In der Nacht zuvor hatte keiner von ihnen viel geruht; die Krieger hatten ihre
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