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Britannien-Zyklus 01 - Die Herrin vom See

Titel: Britannien-Zyklus 01 - Die Herrin vom See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana L. Paxson
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der Riesen, auf dass er dort bei seinem Bruder und den anderen britischen Fürsten ruhe.
    Merlin erinnerte sich eines Samhain-Abends neben den geheiligten Steinen und der Begeisterung in Uthers Augen, und er begann zu weinen; dennoch meißelte er unaufhörlich weiter.
    Danach kursierten Gerüchte, als zunächst ein Fürst, dann ein anderer um Unterstützung warb, um Anspruch auf die Oberherrschaft über Britannien zu erheben. Doch es gab niemanden, auf den sich alle Fürsten einigen konnten.
    Der Herbst war weit fortgeschritten, als Merlin sein Werk schließlich vollendete und das Schwert mit jener geheimen Drehung in den Spalt schob, die verhinderte, dass es jemand herauszog, der das Geheimnis nicht kannte. Und nachdem es darin war, schlug er auf der Vorderseite des Steines folgende Inschrift ein:
     
    QVICVMQUE ME DISTRINGET REX IVSTVS BRITANNIAE EST
     
    Dann, endlich, fiel der Zwang von ihm ab. Über Schwert und Stein hüllte er seinen Umhang und trat zum letzten Mal aus der kleinen Kapelle hinaus.
    Der Geist des Mannes, der er gewesen war, flüsterte ihm zu, er sollte sich zu Igraine nach Londinium oder zu Artor nach Demetia begeben. Aber er vertraute seiner eigenen Weisheit nicht mehr. Sollten doch die Männer, die es danach gelüstete, Britannien beherrschen und die Götter, denen sie dienten, das Kämpfen für sie übernehmen. Er hatte genug von der Menschheit.
    Merlins Füße trugen ihn gen Norden; er reiste bei Nacht und sprach mit niemandem. Als er den Wall erreichte, konnte er sich kaum noch der menschlichen Sprache besinnen, und so verschmolz er mit den Schatten der Wälder Caledonias und entschwand dem Wissen der Menschen.

X
    Das Schwert im Stein
    A.D. 475
     
    In ihrem Traum hockte Igraine in einem Apfelbaum.
    Auf den Ästen sitzend wie in einer Krippe, sanft vom Wind gewiegt, beobachtete sie den langsamen Lauf der Sterne, doch während sie deren Pracht bewunderte, wusste sie, dass diese Visionen nicht die ihren waren, sondern jemandem gehörten, dessen Traum sie teilte.
    Ihr Baum war umgeben von Eichen, Eschen und prächtigen Kiefern, denn der Wald hatte einen alten Obstgarten überwuchert, und nur der eine Apfelbaum war geblieben. Hungrig griff sie nach einem Apfel; der Arm, der sich bewegte, war lang, sehnig und mit rauem Haar bedeckt. Plötzlich wusste sie, in wessen Geist sie weilte.
    »Merlin«, rief sie, »wo bist du? Wir haben gefürchtet, du wärst tot – Britannien braucht dich, ich brauche dich!«
    »Ich bin der Wilde Mann Caledonias… Merlin ist nur ein Traum. Bist du meine kleine Gefährtin? Ich habe dich in einem Mondstrahl gesehen, Frau, aber du sprichst nicht mehr zu mir…« Durch seine Augen erblickte sie Blätter, die im Mondlicht glitzerten, und die fahlen Schemen der fernen Hügel.
    »Igraine ist es, die dich ruft. Kehr zurück von deinen Wanderungen!«
    Er biss in den Apfel, und sie spürte das süße Fruchtfleisch auf der eigenen Zunge.
    »Merlin hat Igraine geliebt, als er noch ein Mensch war … Der Wilde Mann liebt das kleine Schwein, das unter seinem Baum den Boden durchwühlt…«
    Einen Augenblick ließen Überraschung und Mitleid sie schweigen, dann trieb die pure Not sie weiter. »Wenn du mich je geliebt hast, dann finde meinen Sohn! Die Fürsten zerreißen dieses arme Land wie Raben einen Kadaver, und allein er kann es wieder einen…«
    Eine plötzliche Woge der Pein ließ ihre Sicht verschwimmen; der todbringende Gestank des Schlachtfelds stieg ihr wieder in die Nase. Dann verblasste das Bild, doch der Kummer blieb.
    »Die Weiße Rabin soll sich hüten vor dem Raben der Schlacht. Nach Calleva kommen die Fürsten auf der Suche nach Herrschaft… Wo man das Schwert findet, wird man auch den König finden…«
    Äste knackten, als er hinabkletterte. Der Boden verschwamm vor ihren Augen, als er zu rennen begann, schnell und immer schneller, bis sein Denken sich in reine Bewegung auflöste und Igraines Bewusstsein von ihm abfiel.
     
    Sie schlug die Augen auf und haschte nach Erinnerungen, die bereits rasch verblassten, doch auf ihren Lippen blieb der Geschmack eines Apfels zurück.
    Wie lange ist es her, fragte sie sich, seit ich zuletzt mit Glück im Herzen aufgewacht bin? Was immer ihr Traum bedeuten mochte, er war besser als die Alpträume, in denen Uther wieder und wieder in ihren Armen starb. Sie hatte ihn in dem Grabhügel am Ring der Giganten beerdigt, wie er es sich gewünscht hatte, danach war sie die lange Rückreise gen Norden angetreten, wobei sie eine Zeit

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