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Britannien-Zyklus 01 - Die Herrin vom See

Titel: Britannien-Zyklus 01 - Die Herrin vom See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana L. Paxson
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betonte. Er war ein demütiger Mann, der sich an gewöhnlichen Tagen ebenso schlicht kleidete wie jeder seiner Mönche. Doch er war alles andere als weltfremd, besann sich Igraine, während sie ihn von der Galerie aus beobachtete, und er wusste um die Macht wohlüberlegt zur Schau gestellten Goldes.
    »Die Heiden bedrängen uns von allen Seiten, und die römischen Adler haben uns aufgegeben. Wir haben unter der Befehlsgewalt unserer eigenen Kaiser gegen sie gekämpft; bisweilen hätten wir sie beinahe von unseren Gestaden verdrängt. Doch nur als wir vereint waren. Wenn jeder Fürst sich nur um seine Lande kümmert, kann des Teufels Saat uns Stück für Stück verschlingen, wie eine Herde, die von den Wölfen zersprengt wurde!«
    Von seiner Zuhörerschaft erhob sich anerkennendes Gemurmel, wenn schon nicht für den Text, so doch für seine Redekunst. Auch die weiter unten befindlichen Fenster ließen Licht in den Raum dringen, das sich auf Schwertgriffen, Broschen und Ketten aus Gold widerspiegelte.
    Die Basilika von Calleva galt als zweitgrößte nach jener Londiniums. Das Schiff ragte siebzig Fuß hoch auf, Bögen stützten die oberen Wände und trennten sie vom Gang. In glücklicheren Zeiten waren hier die Decurions des Bezirks zusammengetroffen, um die Regierungsgeschäfte abzuwickeln; nun füllten fast hundert stolze Männer von überall auf der Insel die Bänke.
    »Fürwahr, Hochwürden.« Cador von Dumnonia, der seinen Vater und Großvater vertrat, den Fürsten Gerontius, erhob sich zur Antwort von der Bank. Sein Bruder, Gerontius der Jüngere, saß an seiner Seite. »Wären wir mit Euch nicht einer Meinung, wären wir nicht hierher gekommen. Aber es ist kein Mann aus der unmittelbaren Blutslinie des Constantinus übrig, um das Erbe Roms anzutreten, und wie sonst sollen wir jemanden wählen?«
    Seine Frage schien recht unschuldig, doch jeder wusste, dass Cador durch die weibliche Linie von jenem britannischen Kaiser abstammte, der Rom herausgefordert hatte. Unvermittelt wurde Igraine bewusst, dass Morgause durch ihren Vater dasselbe Blut in sich hatte. Hatte sie daran gedacht? Die aufmerksame Art, mit der sie das Geschehen verfolgte, ließ ihre Mutter schließen, dass dem so war, und folglich würde auch Leudonus mit dem Gedanken spielen.
    Trotz vier Jahrhunderten römischer Kaiser, die ebenso durch ihre Beliebtheit, ihre Macht, ihr Können oder manchmal durch puren Zufall wie durch die Erbfolge an das Purpur gelangt waren, hatte für diese Nachfahren der keltischen Könige ehrenvolles Blut immer noch Gewicht.
    Hätte Uther seinem Seher Merlin gestattet, ihren Sohn zurückzuholen, dachte Igraine, hätte es einen Erben in der männlichen Linie gegeben. Wo war er nun, ihr kleiner Junge? Wusste er um sein Erbe? Oder war er tot, und hatten Uther und Merlin ihrem Drängen, ihn zu ihr zu bringen, deshalb getrotzt, weil sie fürchteten, es ihr gestehen zu müssen?
    Es spielte kaum noch eine Rolle. Cador hatte sich soeben zum Anwärter erklärt. Igraine besann sich seiner als energiegeladen, aber starrsinnig; jemand, der einer starken Hand bedurfte. Würde er die zum Herrschen nötige Selbstzucht aufbringen?
    »Wer ist das?«, fragte Flavia, als Eleutherius sich erhob.
    »Der Fürst von Eboracum. Sein Vater hat über die Länder vom Wall bis nach Lindum geherrscht, aber mittlerweile schaffen sich die Angeln dort eine Heimat.«
    Eleutherius räusperte sich. »Welchen Fürst wir auch wählen, er muss sich um die Völker des Nordens ebenso kümmern wie um jene des Südens; um die im Osten Verbliebenen und von Sachsen Umzingelten ebenso wie um die sicheren Länder im Westen. Die Söhne des Ambrosius sind aus Gallien zurückgekehrt, um uns anzuführen. Wir wollen keinen Hochkönig, der über das Meer nach Domnonia flieht, wenn die Dinge hier einen schlechten Verlauf nehmen.«
    Dies kam einer Herausforderung nahe genug, um alle Augen zu Cador wandern zu lassen; denn die Nordküste Galliens hatte ihren Namen durch Briten erlangt, die aus den Ländern dorthin geflüchtet waren, über die sein Vater herrschte. Doch bevor er etwas erwidern konnte, sprach Cadrod, der sich nach der Schlacht in Verulamium niedergelassen hatte, sich für die Wahl eines Mannes aus, der Erfahrung an der sächsischen Grenze aufzuweisen hatte. Ihm folgten andere, als die Vertreter jedes Gebietes ihre Bedeutung oder Bedürfnisse vorbrachten.
    Während all dem verharrte Leudonus schweigend. Er hatte seit seiner Hochzeit mit Morgause Gewicht zugelegt,

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