Britannien-Zyklus 02 - Die Herrin der Raben
gefährlich. Sagt mir, was wir für den Kampf zur Verfügung haben; vielleicht hilft uns das, zu entscheiden.«
Willst du wissen, wie das Fohlen läuft, dann sieh dir seine Herkunft an, dachte Merlin, der Ansätze von Uthers umgänglichem Stil erkannte. Es klang erfindungsreich, doch aus Artors Worten sprach eindeutig Gerontius; denn betrachtete man das Problem genauer, wurde offensichtlich, woher die Mittel kommen mussten, wenn die Briten einen Feldzug im Frühling planten.
»Gegen Ende dieses Monats werden meine Leute mit der Frühlingssaat fertig«, sagte Docomaglos. »Ich kann dreitausend Mann vor Ceredics Türschwelle stehen haben, ehe er auch nur merkt, dass wir uns in Bewegung setzen. Wir können hart und schnell zuschlagen und ihn gegen Pfingsten ins Meer treiben.«
»Für mich klingt das vernünftig«, meinte Artor. »Cadrod hat Recht, Icel ist ein Problem, aber ich glaube, wir können uns seiner mit mehr Selbstvertrauen annehmen, wenn wir Ceredics Speere nicht mehr zwischen den Schulterblättern spüren.«
Merlin unterdrückte ein Lächeln. »… im Hinterteil spüren…«, hätte Uther wohl gesagt. Aber abgesehen von der Wortwahl schien der Junge unverkennbar seines Vaters Gabe geerbt zu haben, Männer für sich einzunehmen. Die Fürsten aus dem Norden vergaßen nicht nur ihre Einwände, gegen Ende des Rates versprachen sie sogar, Männer zu entsenden.
Der Lärm von Schwertübungen wies Merlin den Weg zum König. Nach dem Abendessen waren die meisten Fürsten an ihre Lagerfeuer zurückgekehrt, um sich behaglich auszustrecken, zu reden, zu trinken und zu beobachten, wie das Tageslicht vom Himmel schwand. Als der Druide sich aufmachte, um nach Artor zu suchen, stellte er fest, dass die meisten jüngeren Männer verschwunden waren.
Er brauchte keine Magie, um sie zu finden. Am Rande der Stadt, wo der Fluss beschaulich durch die grünen Weiden floss, rangen zwei Gestalten miteinander, Schatten gegen Schatten, während sich das letzte Sonnenlicht auf ihren schwingenden Schwertern spiegelte. Nach dem ersten Schrecken erkannte er, dass sie sich langsam, bedächtig, anmutig wie in einem Traum bewegten. Dennoch war es gefährlich. Er holte Luft, um ihnen Einhalt zu gebieten, dann blies er sie wieder aus. Er konnte den Jungen nicht ewig beschützen; Artor war beinahe ein Mann.
Dennoch war es die Stimme eines Jungen, die lachend aufbegehrte: »Aber wie soll ich Euch denn treffen, Gerontius, wenn ich Euch kaum sehe?« Tänzelnd wich er außer Reichweite zurück und lehnte sich keuchend auf sein Schwert.
»Wenn der Feind einen nächtlichen Angriff startet, dann seht Ihr auch nichts, ebenso wenig im Staub des Schlachtfelds oder mit einer Kopfwunde, wenn Euch Blut in die Augen rinnt.« Gerontius richtete sich auf. Seine Stimme klang kühl und nüchtern.
Eine dritte Gestalt, der Stimme nach Gai, meldete sich zu Wort: »Wenigstens muss man bei einer Schlacht nicht darauf achten, den Feind nicht zu verletzen.«
»Sofern man erkennen kann, wer der Feind ist«, gab Artor zu bedenken. »Hat die Schlacht erst begonnen, Gerontius, woher weiß man es dann?«
»Wenn ein Speer auf deinen Bauch gerichtet ist, dann ist es ein Feind!«, meinte einer der anderen.
»Wenn dich jemand auf Sächsisch anbrüllt.«
»Wenn jemand der eigenen Schlachtreihe gegenüber steht.«
»Artor hat Recht«, mischte Gerontius sich ins Gespräch. »In den Wirren einer Schlacht kann es mitunter schwierig sein, Freund von Feind zu unterscheiden – insbesondere dieser Tage, da unsere Krieger und die Sachsen ähnliches Rüstzeug tragen. Was ich mit dieser Übung zu erreichen versuche, ist, euch beizubringen, euren Gegner mit anderen Sinnen als den Augen oder den Ohren wahrzunehmen.«
»Ah – Merlin hat mir so etwas schon einmal gezeigt«, meinte Artor. »Er sagte, man muss den Gegner spüren, mit ihm eins werden. Aber ich bin nicht gut genug, um es mit der Klinge zu wagen, deshalb…« Plötzlich bückte er sich, hob etwas aus dem Gras auf und warf es.
Eine rasche Bewegung folgte, dann ein dumpfer Laut, als Gerontius’ Schwert das heransausende Geschoss traf und in tausend Stücke bersten ließ.
»Wicht!«, rief er über das Gelächter seiner Schüler. »Wenn das ein Kuhfladen war, lasse ich Euch diese Klinge putzen!«
»Nein«, entgegnete Artor, der prustend wieder zu Atem kam. »Nur ein Erdklumpen.«
»Na schön.« Gerontius versuchte, seine Stimme streng klingen zu lassen. »Und jetzt ist es wirklich dunkel, also müssen wir diese
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