Britannien-Zyklus 03 - Die Herrin von Camelot
Stirn.
V
Die Blumenbraut
A.D. 496
In jenem Jahr setzte der Frühling in Britannien früh ein, so als wollte das Land sich schmücken, um die Hochzeit des Hochkönigs zu feiern. Jedes noch so kleine Tal präsentierte sich mit Primeln gesprenkelt; die Waldpfade waren von Glockenblumen überflutet, in den Hecken prangte an jedem Zweig das strahlende Weiß von Hagedorn.
Als der Tross der Braut das Sommerland verließ und den gemächlichen Weg nach Londinium antrat, drängten die Menschen aus Villen mit Schindeldächern und keltischen Rundhäusern mit Rieddächern, aus einsamen Hirtenhütten und halb verfallenen Weilern, um der Braut zuzujubeln, deren Hochzeit dem Reich einen Stempel des Friedens aufdrücken würde. Gewiss, so sangen sie, hatten die Kriege nun wirklich ein Ende, wenn der Hochkönig ihnen endlich eine Königin bescherte. Wo immer Gwendivar vorbeikam, waren die Straßen mit Blumen bestreut.
Merlin, der aus den caledonischen Wäldern südwärts reiste, empfand das Gerücht von ihrer Reise wie einen warmen Windhauch über ein fruchtbares Land im Süden. Er ertappte sich dabei, dass er hastete, angetrieben von einer Hoffnung, die zu empfinden er viel zu lange nicht gewagt hatte. Merlin war geboren worden, um dem Verteidiger Britanniens zu dienen und ihm auf den Thron zu verhelfen, und diese Aufgabe hatte er erfüllt. Keiner der beiden hatte sich getraut, darüber nachzudenken, was als Nächstes folgen mochte.
Nun aber gab das Land selbst die Antwort. Nach dem Winter kam der Frühling, nach dem Kummer diese Freude, nach dem Tod des von Rom beherrschten Britanniens eine neue Nation, in der all die vereinte Größe der Völker, die sich alle hier angesiedelt hatten, blühen und gedeihen konnte.
Igraine, die mit Ceincair und Morut nach Süden ritt, musste unwillkürlich an ihre eigene Hochzeit mit Uther denken, jene Hals über Kopf und notdürftig vorbereitete Zeremonie, die mitten im Winter während der Nachwehen eines Bürgerkriegs abgehalten wurde, um den bereits in ihr keimenden Knaben zu einem ehelichen Kind zu machen. Gwendivar würde bei ihrer Hochzeit als Jungfrau in die Ehe gehen; für sie würden weder Erinnerungen aus der Vergangenheit noch Ängste um die Zukunft jenen Tag überschatten. Wäre Igraine nicht so überaus erleichtert über die Aussicht gewesen, einen Teil der Bürde weiterzureichen, die sie so lange getragen hatte, hätte sie die Braut ihres Sohnes geradezu beneidet.
Für Artors Schwester, die mit ihrer Begleitgarde aus Stammeskriegern der Votadini flinken Schrittes nach Süden reiste, stellte jeder Meilenstein entlang der alten Römerstraße ein Mahnmal ihrer eigenen Zwangslage dar. So lange hatte sie sich eingeredet, dass ihr die Freiheit einer Königin in Alba weit mehr behagte als jeder Titel, den das sterbende Britannien zu bieten hatte. Wäre Artor nie geboren worden, hätte ihre Abstammung vom Hause Maximus ihrem Gemahl einen Anspruch auf die Kette und den Stirnreif verschafft. Aber je näher sie Londinium kam, desto deutlicher begriff Morgause, dass es nicht Gwendivar war, die sie beneidete, sondern Artor selbst. Sie lechz te nicht danach, eine Gemahlin des Königs zu sein, sondern die herrschende Königin selbst.
Doch nicht mal im Niedergang hätten die romanisierten Briten – für die Boudicca immer noch ein Name war, mit dem sie ihre Kinder erschreckten – sie nie anerkannt. Artors Sohn würde dessen Reich erben. Die einzige Frage war, ob dieser Sohn das Kind ihres Leibes oder jenes Gwendivars sein würde.
Artor selbst, der mit allen möglichen protokollarischen Fragen zu ringen hatte, erinnerte sich an das strahlende Antlitz des Mädchens, das er im Mittwinter kennen gelernt hatte und fragte sich, ob er überhaupt das Recht hatte, irgendeine Frau in den politischen Morast zu stürzen, zu dem diese Hochzeit sich entwickelt hatte. Sogar die Wahl des Ortes, an dem die Zeremonie abgehalten werden sollte, hatte einen Streit vom Zaun gebrochen. Bischof Dubricius hatte seine eigene Kirche in Isca angeboten, aber dort zu heiraten hätte die Dumnonii beleidigt, die beschuldigt wurden, den letzten Sachsenkrieg ausgelöst zu haben, und deshalb ohnehin schon in der Defensive waren.
Artor hätte in der Heimat der Braut in den Stand der Ehe treten können, aber Lindinis galt lediglich als besseres Dorf und besaß kein Bauwerk, das groß genug war, um all jenen Platz zu bieten, die dabei sein wollten. Calleva oder Sorbiodunum waren zwar günstig gelegen, doch diese Orte
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