Britannien-Zyklus 03 - Die Herrin von Camelot
üblich an Artors Schulter stand, musste den Blick abwenden. Alsbald passte sich seine Sicht den Verhältnissen an, und er begann neuerlich zu zählen.
Unterhalb der niedrigen Traufen, wo die Korbgeflechtabdeckungen entfernt worden waren, fiel trübes Licht ein und erhellte die unteren Teile des Inneren, während das Feuer in der Mitte einen warmen Schimmer ausstrahlte; unter dem Dachgiebel herrschte Finsternis. Bediver unterdrückte ein Lächeln, als er beobachtete, wie die Fürsten und ihr Gefolge herauszufinden versuchten, welche Sitze bei einer runden Anordnung die ehrenvollsten waren. Genau aus diesem Grund hatte Merlin Artor nahe gelegt, diese Halle so zu errichten. Letzten Endes erfolgte die Sitzwahl annähernd nach geografischen Gesichtspunkten, da die kleinen Gruppen sich Plätze neben ihren Verbündeten und Nachbarn suchten.
Madoc von Durnovaria hatte sich für einen Platz neben Leodegranus entschieden, gleich unterhalb von Cador von Dumnonia, der seinen Sohn Constantin mitge bracht hatte. Die Gruppe aus Demetia wurde von Agricola beherrscht, einem Kriegsführer aus einer alten, römischen Familie, der mit Durchschlagskraft wettmachte, was ihm an edlem Blut mangelte. Da er Römer war, bezeichnete er sich nicht als Fürst, sondern als Beschützer, wenngleich die damit verbundene Befehlsgewalt dieselbe war. Auch er hatte einen Sohn mitgebracht; sein Name lautete Vortipor. Sein nördlicher Nachbar war Catwallaun Langarm, der noch die Narben seines letzten Feldzugs gegen die Iren von Laigin zur Schau trug, die sich unter König Ulan dort angesiedelt hatten.
Auch andere, vertrautere Gesichter waren da – der alte Eleutherius aus Eboracum mit seinem Sohn Peredur; Eldol, der über das Gebiet um Glevum herrschte; und Cadrod von Verulamium, der die Sachsen aus dem Osten keinen Lidschlag lang aus den Augen ließ. Als Bediver den Blick über die Runde schweifen ließ, waren es überwiegend die jüngeren Männer, die seine Aufmerksamkeit erregten. Sie waren diejenigen, mit deren Kraft Artor Britannien aufbauen wollte, deren Augenmerk der Zukunft galt.
Dennoch waren auch die silbrigen Haare des Alters und der Erfahrung nach wie vor stark vertreten. Ridarchus war von Dun Breatann heruntergereist. Er war so alt wie Leudonus, wenngleich er kräftiger wirkte. Es hieß, er sei mit einer Schwester Merlins vermählt, was Bediver sich schwerlich vorstellen konnte. Neben ihm saß sein Halbbruder Dumnoval, ein Enkel des großen Germanianus. Mittlerweile hielt Dumnoval die Länder der Votadini südlich von Tava, unterhalb der Gebiete von Leudonus, der zu krank gewesen war, um herzukommen.
Stattdessen war der junge Cunobelinus da, um für die Votadini von Dun Eidyn zu sprechen. Darüber hatte es zuvor Streitgespräche gegeben, denn als rechtmäßiger Erbe von Leudonus galt Gwalchmai. Doch Gwalchmai befand sich zu Artors Rechten, Gai zu seiner Linken, und niemand wagte zu fragen, ob dies bedeutete, dass der Nordländer auf sein Geburtsrecht verzichtet hatte, um dem Hochkönig zu dienen, oder dass er Anspruch auf ein noch bedeutenderes Recht als Artors Erbe erhob.
Dies schien jedoch unwahrscheinlich, denn obwohl im Leib der Königin in einem Jahr Ehe keinerlei Saat aufging, war sie immer noch jung und gesund und würde gewiss eines Tages ein Kind gebären. Als wäre der Gedanke ein Ruf gewesen, bemerkte Bediver eine Veränderung in den Mienen der Männer des Kreises; er drehte sich um und erblickte Gwendivar, die inmitten eines Lichtscheines in der Tür stand.
Ob alt, ob jung, allesamt verstummten die Männer, als Gwendivar, den großen, silbernen Mischkelch an den Griffen zu beiden Seiten haltend, die Runde machte. Dies, dachte Bediver, war nicht das fröhliche Mädchen, das seine Freundin geworden war, sondern die Hochkönigin, unerreichbar und vollkommen wie eine Ikone in ihrer perlenbesetzten Dalmatika aus cremefarbenen Damast und einem Schleier aus feinsten Leinen, der das Haar unter dem Diadem verdeckte. Jedem Mann, an dem sie vorüberkam, bot sie den Mischkelch an. Als der Wein über das funkelnde Silber floss, fing sich darin das Licht und ließ ihn granatfarben schimmern.
»Das Blut der Traube ist das Blut des Landes«, sagte sie leise. »Und ihr seid des Landes starke Arme. Trinkt in Frieden, trinkt in Eintracht und seid willkommen in dieser Halle.«
»Fürstin, erst Ihr verleiht uns Anmut«, murmelte Vortipor, der hochrot anlief, als ihm bewusst wurde, dass er laut gesprochen hatte. Doch es schien niemandem sonst
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