Britannien-Zyklus 03 - Die Herrin von Camelot
das heißen?«
»Gwalchmai hat ein kleines Mädchen, wusstest du das etwa nicht? Sie ist die Tochter irgendeiner Frau, die er in den Hügeln traf. Mittlerweile ist sie zwölf Jahre alt. Letztes Jahr hat er sie zu mir geschickt.« Bei Igraines Worten schaute die jüngere ihrer Gefährtinnen auf, die Augen groß und dunkel wie die eines aufgescheuchten Rehkitzes. »Komm, Ninive, und begrüße deine Großmutter.«
Aus der Nähe betrachtet, war Ninive offensichtlich noch ein Kind, das um sich blickte, als nähme es bei jedem plötzlichen Geräusch Reißaus. Ein wildes Ding, aber ich wüsste sie schon zu zähmen, dachte Morgause, als das Mädchen sich bückte, um ihr die Hand zu küssen. Warum hat Gwalchmai sie nicht mir anvertraut?
Doch in ihrem tiefsten Innersten, wusste sie es. Ihr Bruder hatte ihr bereits ihre beiden älteren Söhne gestohlen, nun beanspruchte ihre Mutter auch das Mädchen für sich, die Enkelin, die sie – Morgause – gemäß einer Tradition, wesentlich älter als jedes von Igraines Geheimnissen, zu einer Priesterin hätte ausbilden können. Igraine war entweder ausgesprochen dumm gewesen, sie hierher zu bringen, oder über alle Maße von ihrer Macht überzeugt.
»Du scheinst ja bei ihr ganz sicher zu sein«, bemerkte sie, nachdem Ninive losgeschickt worden war, um noch Tee zu holen. »Das Leben auf der Insel ist kein einfaches. Was, wenn das Mädchen einen Mann im Bett und Kinder auf dem Schoß haben will? Sie sollte die Möglichkeit haben zu wählen.«
»Was glaubst du, weshalb ich sie hergebracht habe?«, entgegnete Igraine mit jener hochgezogenen Braue, die von einer so unerschütterlichen Selbstsicherheit und von einem Machtbewußtsein zeugte, wie es ihre Tochter seit jeher zur Weißglut brachte.
Einen Augenblick starrte Morgause sie nur an. »Wie großzügig! Nun, nach der Versammlung werde ich mich mit Ninive unterhalten, dann werden wir ja sehen, ob sie nach dir oder nach mir kommt… Aber ich verstehe, weshalb Gwalchmai kein Mädchen an Artors Hof eingeführt hat«, fügte sie nachdenklich hinzu.
»Was soll das heißen?«
»Mein Bruder schreibt mir zwar nicht, andere hingegen schon«, erwiderte Morgause. »Und es gibt viele, die behaupten, das Bett der Königin wäre keineswegs leer, obwohl Artor nicht darin schläft.«
»Das stimmt nicht«, widersprach Igraine, doch Morgause unterdrückte ein Lächeln, als sie die Unsicherheit in den Augen ihrer Mutter bemerkte.
»Tatsächlich? Nun, ich habe keine Einwände, wenn Gwendivar sich an die Sitten des Nordens hält. Wenn es dem König an Manneskraft mangelt, liegt es an der Königin, dem Land einen Erben zu verschaffen.«
»Indem sie sich Geliebte nimmt, so wie du? Wer hat deine Söhne gezeugt, Morgause?«
Morgause lachte, weil es ihr endlich gelungen war, ihre Mutter zu einem unmittelbaren Angriff zu verleiten. »Welcher Mann würde es schon wagen, damit zu prahlen, der Königin ein Kind gezeugt zu haben, besonders wenn es nicht sie war, mit der er schlief, sondern die Göttin, die sich ihrer Gestalt bediente, und wenn er selbst vom Gott besessen war? Meine Kinder sind mehr als königlich, Mutter, sie sind Gaben der Götter!«
Schon im nächsten Augenblick erkannte sie, dass der Hieb sein Ziel verfehlt hatte. Igraine lehnte sich zurück und trank einen weiteren Schluck Tee.
»Aha – so hat es sich also zugetragen. Nimm dich in Acht, Tochter, auf dass die Götter dich nicht dafür zur Rechenschaft ziehen, was du aus ihren Gaben gemacht hast.«
Morgause, der bewusst wurde, dass sie mehr preisgegeben hatte, als sie beabsichtigt hatte, legte die Stirn in Falten. Aber selbst wenn Igraine über Medrods Herkunft Bescheid wüsste, was könnte sie schon tun? Zumindest dieses Kind gehörte mit Leib und Seele ihr.
»Du hast eine lange Reise hinter dir, Mutter, und bist gewiss müde«, meinte sie schließlich. »Und ich muss für die morgige Klanversammlung ausgeruht sein. Dugech wird dir zeigen, wo du schläfst.« Damit erhob sich Morgause und rief die vor der Tür wartende Frau herein. Doch ungeachtet ihrer Worte war sie es, die sich bis zum Morgengrauen unruhig im Bett hin und her wälzte.
Dennoch hatten die Götter sie nicht verlassen, denn am Ende der Versammlung stimmten die Klans zu, dass Morgause weiterhin als Vertreterin für Gwalchmai herrschen sollte, obwohl sie Dumnovals Anspruch als Anführer der südlichen Votadini anerkannten und Cunobelinus zum Kriegsführer der nördlichen Klans erkoren. Nur Ninive entschied sich dafür,
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