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Britannien-Zyklus 04 - Die Herrin der Insel

Titel: Britannien-Zyklus 04 - Die Herrin der Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana L. Paxson
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raffte er sich wieder auf. Dann zog er den Schaft aus der Erde und machte sich auf den Weg den Berg hinab.
     
    Staub wirbelte in goldenen Wolken hoch, aufgewühlt von den Füßen der Erntearbeiter. Der Karren, den sie zogen, war mit Korngarben beladen und mit Sommerblumen geschmückt. Gesänge mischten sich mit dem rhythmischen Knarren der Räder, die zu der Weide unterhalb der Villa rollten, wo das Erntedankfest vorbereitet worden war. Gwendivar, die neben Gai und Gwalchmai den Ehrenplatz einnahm, zog sich den Schleier halb übers Gesicht.
    Die Vorsichtsmaßnahme erwies sich als unnötig, denn als der Abend näher rückte, war eine sanfte Brise aufgekommen, die den Staub weggeweht hatte.
    Sie war froh über Gais Einladung gewesen, das Fest dort zu feiern, wo Artor als Knabe gelebt hatte. Nun war es Gais Zuhause, obwohl ihn seine Tätigkeit im Dienste des Königs hier nur wenig Zeit verbringen ließ. Um seine Gesundheit stand es nicht zum Besten, und Gwendivar war teilweise in der Hoffnung hergekommen, ihm ein wenig Ruhe zu verschaffen. Hier schien es ihm besser zu gehen. Sie hatte über seine Geschichten lachen müssen und sich den großen König Britanniens als jungen Wildfang vorzustellen versucht. Gwendivar bedauerte nur, dass Artor nicht hier bei ihnen war. Fünf Jahre schon führte er in Gallien Krieg, nach ihrem Ermessen mit herzlich wenig Erfolg. Er war nicht einmal zurückgekehrt, als seine Mutter im Vorjahr gestorben war.
    Der Tross bog um die letzte Kurve, und sie hörte die Gesänge deutlicher:
     
    »Oh, wo ist er verborgen, wo geht er hin heut Nacht?
    Das Korn ist nun geschnitten, die Ernte eingebracht!«
     
    Die Arbeiter, die das letzte Korn geschnitten und gebündelt hatten, das man »den Hals« oder manchmal »den Greis« nannte, hielten die Garben hoch. Sie waren bereits triefnass vom Wasser aus dem Fluss, das Glück bringen sollte, doch bei diesem Wetter schien es sie nicht zu stören. Voller Sehnsucht erinnerte Gwendivar sich an den geheimen Teich, in dem sie als Mädchen zu baden pflegte, und wo Julia und sie entdeckt hatten, welches Vergnügen ihnen ihre Körper bereiten konnten. In all der Zeit fühlte sie sich häufig wie die Jungfrau Maria, doch während sie beobachtete, wie die Schnitter hinter den Frauen herjagten, die ihnen gefolgt waren, um die Garben zu bündeln, musste sie einen Anflug von Neid um jene Erfüllung unterdrücken, die ihr verwehrt geblieben war.
     
    »Es freuen sich die Felder am jungen grünen Korn,
    In des Frühlings erster Blüte der König wird gebor’n –
    Oh, wo ist er verborgen….«
     
    Gwendivar traten unerwartet Tränen in die Augen. Die Männer nannten sie die Blumenbraut und versicherten, ihre Schönheit sei unverändert. Doch es widersprach dem Verlauf der Natur, dass der Frühling ewig dauerte…
    Der Karren wurde vor die Tische gezogen, und die Männer, die sich davor gespannt hatten, schüttelten die Zugriemen ab. Die Frau, die jene letzte Garbe getragen hatte, überreichte sie lachenden Mädchen, die sie zur Mittelsäule des Trockenschuppens brachten, dort befestigten und mit Blumen kränzten. Das Licht der untergehenden Sonne, das durch die Bäume brach, tauchte Stiel und Korn in Gold.
     
    »Die Sonne steigt nach oben, die Felder werden grün,
    Der König ist nun bärtig und stark und blond zu sehn – «
     
    Gai hielt einer vorbeikommenden Dienstmagd den Becher zum Auffüllen hin, dann lehnte er sich seufzend zurück. »Es ist ein eigenartiges Gefühl, nach so vielen Jahren des Krieges, hier zu sitzen und Most zu trinken…«
    »Und Artor ist nicht da, um es mit uns zu genießen«, warf Gwalchmai ein. »Es ist nicht gut, dass der König so lange aus seinem Land fort ist. Hätte er jene Armee zur Verfügung, mit der er am Mons Badonicus gewonnen hat, wäre er mittlerweile Kaiser!«
    Nach wie vor singend, fassten Männer und Frauen einander an den Händen und begannen, um die Mittelsäule zu tanzen.
     
    »Die Sonne steht am Himmel, die Felder glänzen in Gold,
    Des Königs Haupt, es neigt sich, da er geworden alt – «
     
    »Zu viele sind auf der Suche nach dem Kessel gestorben, und einige von uns werden allmählich alt…« Mit einem gequälten Lächeln betrachtete er Gwalchmai und rieb sich den linken Arm, als schmerzte er. »Abgesehen von dir natürlich.«
    Verständnislos legte Gwalchmai die Stirn in Falten. Die Jahre des Krieges hatten sein Antlitz gezeichnet, das rotblonde Haar wurde lichter, doch seine Arme waren immer noch stark und

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