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Britannien-Zyklus 04 - Die Herrin der Insel

Titel: Britannien-Zyklus 04 - Die Herrin der Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana L. Paxson
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um ein erkennendes Leuchten in Ceawlins Augen zu zaubern.
    »Waes hael, drighten. Wilcume!«, begrüßte ihn die Königin, die von ihren Geiseln ein wenig Sächsisch gelernt hatte.
    Cynric blinzelte skeptisch, dann hob er anerkennend den Arm. Er und seine Männer wandten sich um und nahmen ihre Plätze entlang der Nordwand ein.
    Merlin ließ seine Gedanken schweifen, nahm das An- und Abschwellen von Beschwerden und Anklagen gleich dem Grollen eines fernen Donners wahr. Hinter Cynric erspähte er zwischen den hellen und braunen Köpfen einen dunkleren. Der Sachsenanführer trat mit gestikulierenden Armen vor, und ein Lichtstrahl aus dem oberen Fenster tauchte den Kopf des Mannes hinter ihm in einen bronzenen Schimmer. Das war kein Sachse! Merlin wagte sich hinter dem Stuhl der Königin hervor, sandte andere, geheime Sinne in die Richtung des Fremden.
    Als hätte der Mann mit dem bronzen schimmernden Haar die Berührung gespürt, richtete er sich auf und wandte den Kopf, und Merlin zuckte zusammen, als er in einem Antlitz, das einem männlichen Spiegelbild Morgauses glich, die grauen Augen Artors, des Königs, erkannte. Jede andere Ähnlichkeit in Gestalt oder Gesichtszügen hätte sich durch die gemeinsame Abstammung von Igraine erklären lassen, nicht aber diese Augen, die Artor von Uther geerbt hatte, dessen einziger Sohn er war.
    »Herrin, es soll geschehen, wie Ihr es verfügt habt. Eadwulf wird seine Sippe vom Westufer des Flusses abziehen. Wir geben unseren Anspruch auf das Land auf.« Cynrics Stimme schwoll an, und die Fürsten Dumnonias begannen zu grinsen. »Ich fordere Eure Witan, Euren Rat, auf, zu bezeugen, dass wir, die Südsachsen, Euch stets die Treue gehalten haben. In Eurer Halle ist mein Sohn zum Mann herangewachsen. Ihr habt ihm vieles beigebracht. Nun ist es an der Zeit, dass er in sein Heimatland zurückkehrt und die Traditionen des Volkes kennen lernt, über das er dereinst herrschen wird. Im Gegenzug bringe ich Euch den Sohn Eures Königs zurück!«
    Als Medrod vortrat, fegte ein Gemurmel der Verwunderung, des Rätselns, des Mutmaßens durch die Halle wie ein Wind, der einen Sturm ankündigt. Diejenigen, die sich an den Pendragon erinnerten, bemerkten die Ähnlichkeit, die Medrod nicht nur als seinen Neffen, sondern als seinen Sohn auswies. Der gewobene Saum seines dunklen Kittels war durch und durch sächsisch, ebenso das Kurzschwert, das an seiner Hüfte hing. Doch die Brosche, die seinen Umhang zusammenhielt, war piktische Handarbeit, und in seinen Augen leuchtete der Stolz des Hauses Maximian. Er hielt inne, und ein halbes Hundert Blicke wanderten von seinem Antlitz zu jenem der Königin.
    Gewiss, dachte Merlin, hatte Artor ihr alles erzählt – doch neun Jahre lang war Medrod bei den Sachsen versteckt gewesen wie ein Hund unter Wölfen. Es war nur zu einfach für sie alle gewesen, zu vergessen, dass er eines Tages zurückkehren würde, um wieder mit dem eigenen Pack zu jagen.
    Sofern Gwendivar überrascht war, ließ sie es sich in keiner Weise anmerken. Mit leisen Worten wandte sie sich an Ceawlin, und als er sich verneigte, um ihr die Hand zu küssen, verblasste kurz die Erregung, die in seinen Augen loderte.
    »Ich werde Euch nie vergessen, Herrin«, erklärte er mit heiserer Stimme. Dann hastete er an die Seite seines Vaters, als hätte sie soeben die Leine losgelassen.
    »Und Eormenric – « Sie wandte sich zu dem anderen Jüngling. »Du hast ebenso viele Jahre bei uns verbracht wie dein Vater, als er jung war. Ich werde dich hier nicht festhalten, nachdem dein Gefährte gegangen ist.«
    Einen Augenblick errötete der hellhaarige Bursche. »Mein Vater liebte König Artor«, sprach er mit leiser Stimme. »Meine Treue aber gelobe ich Euch. Solltet Ihr mich je brauchen, müsst Ihr mich nur rufen.« Damit neigte er das Haupt, wandte sich um und verließ die Halle.
    Cynric und dessen Sohn waren ein wenig zurückgewichen, sodass Medrod allein dastand. Würde die Königin ihn willkommen heißen? Würde sie ihn zurückweisen? Würde sie ihn als Neffen oder als Sohn bezeichnen? Sein Gesicht war aschfahl geworden, und als er Gwendivar ansah, flackerte etwas Schmerzliches in seinen Augen auf.
    Bruchstückhafte Bilder zogen an Merlins innerem Blick vorbei. Er haschte nach ihnen, und kurz erspähte er dunkle Gestalten, die im kalten Licht des Mitternachtsmondes miteinander rangen. Sein Geist suchte bei dem daimon um tieferes Verstehen, der ihn seit seiner Kindheit geleitet hatte, und im nächsten

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