Brixton Hill: Roman (German Edition)
zurück. Hitze und Qualm schlugen ihr entgegen, und nur Sekunden später schlug der Feueralarm im Flur an. Die Sprinkleranlage wurde in Gang gesetzt.
Warum nicht in der Wohnung?
Em rief nach Eric, aber er antwortete nicht. Sie hielt sich Mund und Nase zu und betrat die Wohnung, kam aber nicht weit. Das gesamte Wohnzimmer stand in Flammen, die Möbel schmorten zusammen. Sie würde es unmöglich bis zu Erics Zimmer schaffen. Es sei denn …
Es sei denn, sie ging über den Balkon, der einen Teil der Wohnung umlief. Bis zur Balkontür konnte sie es schaffen. Em rannte erst auf den Flur zurück, um Luft zu schnappen. Sie zog sich den Pullover aus, hielt ihn kurz unter den Sprinkler, drückte ihn sich auf den Mund und rannte zurück in die Wohnung. Sie schaffte es zur Balkontür. Sie lief bis zu Erics Zimmer, hämmerte gegen die Scheibe. Versuchte, hineinzusehen.
Eric lag im Bett und schlief. Er hörte sie nicht. Wenigstens war er in Sicherheit. Die Flammen hatten ihn noch nicht erreicht.
Sie schlug weiter gegen die Scheibe und rief seinen Namen. Verfluchte die gute Schallisolierung, von der Eric immer geschwärmt hatte. Warf sich mit aller Kraft gegen die Balkontür, die sie von ihrem Bruder trennte.
Dann sah sie, wie die Flammen an der Zimmertür fraßen. Von unten, von den Seiten. Er würde wach werden von dem Lärm, den das Feuer machte. Sie trommelte weiter mit beiden Fäusten gegen das Glas der Balkontür.
Eric blieb liegen und rührte sich nicht.
Weit unter sich hörte Em die Feuerwehrsirenen. Das hauseigene System war direkt mit der Feuerwehr verbunden. Blieb ein Feueralarm länger als dreißig Sekunden aktiv – so lange hatte man Zeit, ihn auszustellen, falls man heimlich im Gebäude geraucht oder die Weihnachtsgans zu lange im Ofen gelassen hatte –, wurde automatisch die nächste Dienststelle informiert. Sie würden nicht lange brauchen, um hier heraufzukommen.
Em schlug gegen die Scheibe und schrie weiter und trat gegen die Balkontür. Hielt dann inne, weil ihr etwas einfiel: Eric hätte durch den Feueralarm längst wach werden müssen. Ihr Bruder hatte keinen tiefen Schlaf. Aber nun lag er reglos im Bett. Während seine Schlafzimmertür in Flammen stand.
Sie rannte zurück, doch die Flammen hatten sich im Wohnzimmer bereits zu weit ausgebreitet. Sie kam nicht mehr in die Wohnung. Aber sie hörte Stimmen. Jemand rief laut nach ihr.
»Hier bin ich«, rief Em, rief es noch einmal, bis sie glaubte, eine Antwort zu hören. »Hier draußen! Auf dem Balkon!«
Eine Gestalt in Schutzkleidung und Helm kam durch den Rauch auf sie zugerannt. Em deutete in Richtung von Erics Zimmer und lief vor. »Er ist noch da drin!«, schrie sie. »Hören Sie mich? Er ist noch da drin! Mein Bruder!«
Die Gestalt, die ihr gefolgt war, nickte. Ein zweiter Mann erschien auf dem Balkon. Er hatte Werkzeug dabei, eine Axt, und bedeutete Em, zur Seite zu gehen. Bevor sie reagieren konnte, packte sie der erste an den Schultern und schob sie hinter sich.
Sie hörte Glas splittern und atmete erleichtert auf. Eric war gerettet. Sie rief seinen Namen, merkte, dass sie weinte. Erleichterung, Glück, alles zugleich. Eric rührte sich immer noch nicht. Er musste von dem Rauch, von den Dämpfen bewusstlos geworden sein. Die beiden Retter öffneten die Balkontür, packten Eric, trugen ihn raus auf den Balkon. In diesem Moment setzte die Sprinkleranlage in der Wohnung ein. Einer der Feuerwehrleute rannte zur vorderen Balkontür und verschwand in der Wohnung. Der andere zog seine Handschuhe aus und nahm die Atemschutzmaske ab. Sanitäter und ein Notarzt erschienen mit großen Koffern, hockten sich neben Eric und legten ihm eine Sauerstoffmaske an. Em klammerte sich am Balkongeländer fest und weinte hemmungslos.
Ihr Bruder. Fast hätte sie ihn verloren. Wie war das alles geschehen? Sie war nur zehn Minuten weg gewesen. Oder eine Viertelstunde. Sie hatte unten vor dem Haus geraucht, geredet, nachgedacht, und in der Zeit – hatte er etwas auf dem Herd angelassen? War eine Leitung defekt gewesen? Oder …
Nicht Alan. Wie hätte Alan hier ein Feuer legen können? Niemand war an ihnen vorbeigegangen, während sie draußen gewesen war. Aber Sanjay, der Portier, hatte etwas von computergesteuerten Systemen und Fehlfunktionen gesagt.
Alan.
Sie spähte nach unten, einundzwanzig Stockwerke tief. Sie fror. Die Lichter der Hochhäuser spiegelten sich auf der Wasseroberfläche der Themse. Der Fluss wirkte friedlich. Wie die ganze Stadt unter
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