Brixton Hill: Roman (German Edition)
Keine Verwechslung?«
Alan kam die Treppe heruntergepoltert. Als er Em sah, blieb er stocksteif stehen.
»Okay. Tatsächlich«, sagte Alans Mitbewohner.
Em sagte: »Hast du meine Nachricht bekommen?«
Stumm schüttelte er den Kopf. Er wirkte viel jünger, schmaler, verwundbarer, als sie ihn in Erinnerung gehabt hatte.
»Willst du sie da draußen stehen lassen? Es ist noch nicht so richtig Frühling«, sagte Alans Mitbewohner.
Alan nickte nur verwundert, was sein Freund als Einverständnis dafür nahm, Em hereinzulassen. Er streckte ihr die Hand hin und sagte: »Ich bin Jay.«
»Em«, sagte sie und nahm seine Hand nicht. »Ich will allein mit ihm reden.«
Jay hob entschuldigend die Hände und verschwand ins Wohnzimmer.
»Was gibt’s?«, fragte Alan und zog nervös an seinen Fingern. »Hast du meine Mails gelesen?«
»Ich lösche deine Mails ungelesen.«
Er schüttelte heftig den Kopf. »Nein, nicht … nicht diese Mails. Ich meinte, in den letzten … drei Wochen?«
»Ich sagte, ich lösche deine Mails.«
Aus dem Wohnzimmer drang Jays gut gelaunte Stimme: »Wenn ihr euch privat unterhalten wollt, geht aus dem Flur raus, ich verstehe jedes Wort!« Dann ertönte laute Musik. Em hatte selten eine so diskrete Lärmexplosion erlebt.
Sie sah Alan fragend an. Bemerkte, dass ihr Ärger verflo gen war, weil sie den Alan, der gerade vor ihr stand, nicht mit der Person zusammenbringen konnte, die sie für fähig gehalten hatte, einen Anschlag auf ein Bürogebäude zu verüben und dabei mehrere hundert Menschen in Gefahr zu bringen, den Tod eines Menschen in Kauf zu nehmen, nur um sie öffentlich bloßzustellen. Andererseits …
Er ging voran in die Küche und zeigte auf einen Hocker. »Willst du, ähm, etwas trinken?«
»Alan, ich bin hier, weil ich wissen will, warum du das getan hast«, sagte sie und fühlte sich im selben Moment schrecklich müde.
»Du hast meine Mails doch gelesen?«
Sie sah ihn an. Er stand gegen den Kühlschrank gelehnt und zupfte wieder an seinen Fingern herum. Seine Augen leuchteten, und Em fragte sich, was es mit diesen Mails wohl auf sich hatte. Offensichtlich hatte sie etwas verpasst. Hatte er sein Attentat angekündigt? Sie beschloss, auf das Spiel einzugehen.
»Na ja«, sagte sie vage. »Nicht alle.«
»Aber es geht dir gut, ja? Wegen dieser Sache im Limeharbour Tower. Dir ist heute Mittag nichts passiert?«
»Nein. Ich bin okay.«
»Puh. Ich hatte wirklich Angst um dich. Und das mit Kimberley Rasmussen … wie furchtbar.« Er sah sie besorgt an.
»Ich verstehe einfach nicht, warum du das getan hast.«
»Was meinst du?« Er zog die Augenbrauen zusammen. »Ach so. Ja. Ich hab es wegen dir getan.«
»Ja, schon klar, aber … hast du nicht daran gedacht, dass du andere Menschen in Gefahr bringst?«
Er nickte heftig. »Trotzdem. Manchmal muss es eben sein. Für ein höheres Ziel, also …«
»Für ein höheres Ziel?«
»Weißt du«, sagte er, jetzt ganz eifrig, und seine Unsicherheit schien vollkommen verflogen. »Diese Dinge sind sehr kompliziert und müssen über lange Zeit geplant werden. Irgendwann kommt dann der Punkt, an dem man nicht mehr aussteigen kann. Und ich fürchte, dieser Punkt ist jetzt da. Es wird auch für dich gefährlich.« Wieder nickte er heftig und sah sie dabei eindringlich an.
Er drohte ihr. Stand dort an den Kühlschrank gelehnt, bot ihr etwas zu trinken an und drohte ihr. Während sein Mitbewohner nebenan Musik hörte.
»Ich habe mit meinem Bruder über alles gesprochen«, sagte sie. »Eric. Hab ich dir von ihm erzählt? Er ist Anwalt. Er weiß Bescheid.«
»Natürlich weiß ich, wer Eric ist. Glaubst du, dass das eine gute Idee war?«, fragte Alan, blinzelte, und Em wurde übel.
»Er weiß Bescheid«, wiederholte sie.
» Ihm vertraust du also.«
»Ja.«
Alan schüttelte den Kopf. »Wart ihr schon bei der Polizei?«
»Nein, ich …«
Sein Blick war jetzt hochkonzentriert. Em merkte zu spät, dass sie einen Fehler gemacht hatte. Sie hätte sagen müssen: Ja, auch die Polizei weiß Bescheid. Draußen steht ein Streifenwagen und wartet darauf, dass ich heil rauskomme. Oder so ähnlich.
»Das ist gut«, sagte Alan ruhig. »Denen kann man nicht trauen. Und außerdem, ich bin noch nicht ganz fertig. Ich brauche noch ein, zwei Tage.« Er strich sich die Haare aus den Augen. Sie fielen sofort wieder zurück. Sie sahen aus, als hätte er sie seit Monaten nicht mehr schneiden lassen. Aus Nachlässigkeit, nicht etwa aus modischen Erwägungen.
Sie
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