Brixton Hill: Roman (German Edition)
entging, auch wenn außer diffusen Schatten so gut wie nichts zu sehen war.
Endlich bewegte sich Jay, allerdings in die falsche Richtung. Nämlich von ihr weg.
»Du bist hier, weil du Alan suchst?«, fragte er.
»Ja. Warum sonst?«
»Keine Ahnung. Ich dachte …«
»Was?«
»Ich dachte, du weißt, wo er ist.«
»Nein. Woher denn?«
»Weil er zu dir wollte. Schon vor zwei Tagen. Seitdem ist er verschwunden.«
Kapitel 17
H acker sind im Allgemeinen nicht das, wofür man sie hält. Hackern geht es darum, die Grenzen des Machbaren auszureizen. Auf spielerische Art. Jemand sagte mal: Ein Hacker versucht herauszufinden, wie man aus einer Kaffeemaschine einen Toaster machen kann. Selbst wenn ein Toaster danebensteht. Dabei hat der Hacker erst einmal nichts Böses im Sinn. Eher im Gegenteil. Wissen (im weitesten Sinne) soll seiner Meinung nach frei zugänglich sein. Ein Hacker stellt seine Erkenntnisse zur Verfügung. Eigentlich ist ein Hacker ein verspieltes, neugieriges Wesen. Es gibt auch ein Hackermanifest. Darin steht:
Wir erforschen … und ihr sagt, wir sind Verbrecher. Wir sind auf der Suche nach Wissen … und ihr sagt, wir sind Verbrecher. Wir haben keine Hautfarbe, keine Nationalität, keine religiöse Ausrichtung … und ihr sagt, wir sind Verbrecher.
Und später:
Ja, ich bin ein Verbrecher. Mein Verbrechen heißt Neugier. Mein Verbrechen besteht darin, dass ich Menschen danach beurteile, was sie sagen und denken, nicht danach, wie sie aussehen. Mein Verbrechen ist es, dass ich euch überliste, etwas, das ihr mir nie vergebt.
Geschrieben wurde es von Loyd Blankenship nach seiner Verhaftung im Alter von 21 Jahren. Das war 1986, und zu dieser Zeit gab es das Arpanet, den Vorläufer des heutigen Internets. Das Arpanet war ursprünglich in den Sechzigerjahren für die US -Luftwaffe entwickelt worden. Die Verbindung fand per Modem und Telefonleitung statt. Zugriff darauf hatten die größten Universitäten der USA , das Militär und einige Unternehmen. Und hin und wieder auch ein junger Hacker. Warum Loyd Blankenship 1986 verhaftet wurde, ist nicht bekannt. Wahrscheinlich hackte er sich unerlaubt ins Arpanet.
Mit dem Internet, überhaupt mit jeder technologischen Neuerung, ergaben sich neue Möglichkeiten für Hacker, ihrem Forscherdrang nachzukommen. Kopierschutz wurde umgangen, gesicherte Systeme wurden geknackt, Firewalls durchbrochen. Manches geschah aus Spieltrieb. Manches aus krimineller Energie. Wer beim Hacken welche Absichten verfolgt, ist Typfrage. Schaden anzurichten oder sich zu bereichern, ist kein Merkmal der Hackercommunity. Aber es ist möglich, und es passiert.
Vor einigen Jahren tauchte dann der Begriff Hacktivismus auf: Internetseiten werden gehackt, lahmgelegt, verändert, Mailaccounts mit Anfragen überschwemmt, und die Aktionen werden öffentlich gemacht, um so auf die politischen Ziele der Hacktivisten aufmerksam zu machen.
Die Unterscheidung zwischen Gut und Böse, richtig und falsch wird zu einer Glaubensfrage, oder vielmehr einer Frage der persönlichen politischen Überzeugung. Ist es gut, dass auf WikiLeaks Informationen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, die eigentlich unter Verschluss bleiben sollten? Ist es richtig, dass die Informanten, die sogenannten Whistleblower, anonym bleiben? Julian Assange und Kristinn Hrafnsson, Sprecher von WikiLeaks, sind Enthüllungsjournalisten. Was das mit Hacking zu tun hat? Informationen sollen jedem zur Verfügung stehen. Einer der Grundgedanken der Hackerpioniere.
Kapitel 18
J ay und Alan waren Hacker. Sie hatten sich auf einer Hackerkonferenz kennengelernt und waren sich immer wieder im Hackspace im Londoner Osten begegnet. Sie beschlossen irgendwann zusammen zu wohnen: Jay hatte genug Platz im Haus, und Alan suchte ein Zimmer. Außerdem verfolgten sie ähnliche Projekte. Es bot sich also an, um nicht zu sagen: Ihr Zusammenziehen war eine logische Konsequenz. Während Alan zum Geldverdienen einem »normalen« Beruf nachging, lebte Jay davon, dass er sich, wie er es scherzhaft ausdrückte, »mit Computern und diesem Internet ganz gut auskannte«. Er war Datenjournalist, sagte er. Aber seit frühester Jugend ein Hacker. Nach seinem Physikstudium war er Rechercheassistent beim Guardian geworden und hatte bei den Besten gelernt. Danach arbeitete er freiberuflich, weil er sich nicht fest anstellen lassen wollte, unter anderem für das Bureau of Investigative Journalism, eine Non-Profit-Organisation in London, die von
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