Brixton Hill: Roman (German Edition)
stand auf und ging zur Tür. »Komm mit.«
Er ging die Treppe runter, ohne das Licht anzuschalten. Em folgte ihm, tastete sich an der Wand entlang, um nicht zu stolpern. Erst in seinem Zimmer machte er Licht an, wieder nur ein kleines Lämpchen, das kaum das andere Ende des Raums erreichte.
Em sah sich um: Jays Zimmer war ganz anders eingerichtet als das von Alan. Jay legte viel mehr Wert auf Ordnung und Übersichtlichkeit. Die wenigen Möbel wirkten besser in Schuss, und das Bett war akkurat gemacht. Wie bei Alan stand absurd viel Technik herum, aber es waren andere Dinge: Mehrere Bildschirme standen nebeneinander. Es fand sich auch ein Fernseher mit Lautsprecherboxen von guter Qualität. Außerdem lagen Tablets, eReader und andere Geräte in verschiedenen Ausführungen auf dem sehr großen Schreibtisch. Manches davon war aufgeschraubt und auseinandergenommen worden.
»Wow. Überfällst du auch gerne mal Elektromärkte?«
»Ich bekomme die Sachen zum Testen kostenlos zugeschickt. Damit ich drüber schreibe«, sagte er beiläufig. Er kniete vor seinem Schreibtisch und zog eine Reihe Schuhkartons hervor. Auch sie waren ordentlich gestapelt und – beschriftet.
»Was machst du da?«
»Warte.« Er stellte einen der Kartons auf den Schreibtisch und nahm den Deckel ab. »Hier, die Sachen aus Alans Zimmer, die ich gerettet hab, als die Polizei kam. Sein Handy. Sein Pass. Noch eine externe Festplatte, aber die müsste alt sein.«
»Und das zeigst du mir jetzt, weil …?«
»Weil er ohne sein Handy doch nicht aus dem Haus gegangen wäre! Nicht freiwillig jedenfalls. Und wenn er vorgehabt hätte abzuhauen, dann hätte er seinen Pass mitgenommen.«
»Er wird sich einen neuen besorgen. Und ein neues Handy. Jay, glaub mir, Alan ist wahrscheinlich ernsthaft krank.«
»Nein.« Jay schüttelte den Kopf. »Er hatte vor, zu dir zu gehen. Sich mit dir zu treffen. Ich hab ihm gesagt: Tu’s nicht, diese Frau hat dir gerade die Polizei auf den Hals gehetzt. Aber er war nicht davon abzubringen. Er sagte, er würde dir Bescheid geben und einen Treffpunkt ausmachen. Aber er ist nicht mal hier reingegangen, um sein Telefon zu holen. Er hat auch meinen Rechner nicht benutzt. Ich war nicht da, ich musste arbeiten, und als ich wiederkam, da war er weg. Ich dachte, er trifft sich mit dir.«
»Aber das hat er nicht.«
»Er hat gesagt: Emma ist in Gefahr, ich muss ihr helfen. Und dann verschwindet er, ohne dich zu kontaktieren. Ich hab erst rausgefunden, dass er weg ist, als ich mit ihm reden wollte. Da klingelte es in der Schuhschachtel.«
Sie sah ihn an und überlegte, ob sie ihm glauben sollte. Sie wusste es nicht. Er wirkte überzeugend. Vielleicht sollte sie einfach mitspielen.
»Okay. Ich verstehe«, sagte sie. »Ich muss jetzt erst mal wieder nach Hause und in Ruhe über alles nachdenken, ja?«
»Du glaubst mir nicht.«
Offenbar war sie auch schon mal überzeugender gewesen. »Jay, lass mich nachdenken. Ich hab ein bisschen viel mitgemacht in letzter Zeit. Also dann.« Sie ging aus seinem Zimmer und war schon an der Haustür, als er sie am Arm festhielt.
»Was ist mit Alan?«, fragte er.
Sie schüttelte seine Hand ab und sah ihn böse an. Er war etwas größer als sie, aber sie trug Absätze und war fast auf Augenhöhe. »Das ist nicht mein Problem.« Em riss die Haustür auf und ging.
Sie war schon auf der Straße, als er ihr hinterherrief: »Und wenn doch?«
9. APRIL 2013
Kapitel 19
I ch glaube, du kannst dich auf Palmer verlassen. Sie ist beim Special Branch, sie ist nicht irgendwer, sie macht ihre Arbeit mit Sicherheit gut«, sagte Alex. Die beiden gingen durch den Green Park. Es war kalt, gerade hatte es ein wenig geregnet, aber Em brauchte frische Luft und Bewegung.
»Morgen ist die Beerdigung.« Sie rieb sich die Augen. Sie waren trocken und leicht entzündet. Em hatte lange nicht mehr richtig geschlafen.
»Es wird noch eine Weile dauern, bis es dir besser geht.«
»Tut mir leid. Tröstet mich gerade nicht.«
»Was tröstet dich? Sex?«
Em sah ihn an, grinste schwach. »Frag mich noch mal in ein paar Tagen.«
Er sah gut aus: die dunkelblonden Haare im Privatschulstil etwas zu lang, die grünen Augen immer lebhaft. Teure Anzüge, wenn er arbeitete, trendy, wenn er Freizeit hatte. Aber Em vermisste einen eigenen Stil. Irgendetwas, das seine Persönlichkeit zeigte. Alex war ihr zu perfekt, zu ungebrochen, zu strahlend. Schon immer gewesen. Sie fragte sich, warum sie vor solchen Männern zurückschrec kte.
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