Brixton Hill: Roman (German Edition)
Spendengeldern und einer Stiftung unterstützt wurde und investigativen Journalismus auf hohem Niveau förderte. Jays Schwerpunkt aber blieb der Datenjournalismus. Daten zusammentragen, bereinigen, aufbereiten, zur Verfügung stellen. Früher hätte man gesagt: eine Studie erstellen. Aus den Daten ergab sich dann die eigentliche Nachricht.
»Ich komm mir gerade vor wie damals, als ich meinen Eltern erklären musste, was ich so mache«, sagte Jay.
Aber Em sah ihm an, dass er Freude daran hatte. Auch wenn er immer wieder betonte, dass er gerade grob vereinfachte, vieles wegließ und sie gedanklich »in der Steinzeit der Datenverarbeitung« abholen musste.
Er traute ihr noch nicht. Wenigstens hatte er den Kabelbinder, der sie am Bett gehalten hatte, durchgeschnitten. Sie saß nun auf dem Bett, die gefesselten Beine angezogen, die Arme auf den Knien. Mit den Händen versuchte sie, eine Position zu finden, in der der Kabelbinder nicht so tief einschnitt. Jay schien es nicht zu bemerken oder willentlich zu ignorieren.
»Fein«, sagte sie schließlich. »Wieder was gelernt. Und was hat das jetzt damit zu tun, dass ich postpakettauglich zusammengeschnürt wurde?«
»Ich dachte, du weißt, wo Alan ist.«
»Es hätte gereicht, mich zu fragen.«
»Du bist hier eingebrochen.«
»Wenn ich dich richtig verstanden habe, brecht ihr zwei ständig irgendwo ein.«
»Virtuell. Das ist was anderes.«
»Sagt wer?«
Jay schwieg. Er stand am Fenster und starrte nach draußen. Zumindest tat er so.
»Noch mal, ich weiß nicht, wo Alan ist. Deshalb bin ich hergekommen. Ich dachte, ich treffe ihn hier und frage ihn, was das Ganze soll. Mir einen Laptop und dieses ganze Zeug zu schicken. Ich meine …«
»Er wollte die Sachen bei dir in Sicherheit bringen«, sagte Jay.
»Was?«
Er tippte nervös mit den Fingern auf der Fensterscheibe herum, drehte sich aber nicht zu ihr um. »Hat dich die Polizei hergeschickt? Haben die gesagt, dass du herkommen sollst?«
»Was ist das denn jetzt für ein Quatsch?«
»Warum hast du sein Paket sprengen lassen? Das ist doch völlig verrückt.« Er nahm den Stuhl, der vor Alans überladenem Schreibtisch stand, und zog ihn näher ans Bett. Dann setzte er sich, beugte sich nach vorne, gestikulierte eindringlich beim Sprechen. »Du hast mehr Vertrauen zu den Autoritäten als zu Alan. Was sagt mir das?«
Die Autoritäten. Der Feind. Klar definiert.
»Nenn mir einen Grund, warum ich Alan hätte trauen sollen. Ich meine, er hat mich wochenlang verfolgt und ausspioniert. Er hat die Technik des Limeharbour Towers manipuliert, sodass meine Freundin in den Tod gesprungen ist, und er hat meinen Bruder umgebracht.«
»Was? Was redest du da? Was ist … Was soll denn dieser Wahnsinn? Alan soll das gewesen sein?« Obwohl Jay ein kleines Lämpchen hinter dem Schreibtisch angeschaltet hatte, konnte sie sein Gesicht nicht richtig erkennen. Aber seiner Stimme hörte sie an, dass er wirklich ahnungslos war. »Sorry, aber du bist verrückt.«
»Äh, nein. Die Beweise sind sogar hier, in diesem Zimmer. Ich hab sie gefunden, kurz bevor du gekommen bist. Ich hab die Fotos eingesteckt. Mach mich los, und ich zeig sie dir. Alan war am Limeharbour Tower, kurz bevor es losging …«
»Natürlich war er da«, sagte Jay leise.
»… und der Polizei hat er offensichtlich ein falsches Alibi … Was hast du gerade gesagt?«
»Natürlich war er da.«
»Was heißt das jetzt?«
Er antwortete nicht sofort, schien sich gut zu überlegen, was er als Nächstes sagen sollte. »Die Polizei war zweimal hier. Zuletzt vorgestern. Beim ersten Mal haben sie nur Fragen gestellt. Beim zweiten Mal haben sie alles durchsucht, obwohl sie nicht das Recht dazu hatten. Ich konnte die wichtigsten Sachen aus Alans Zimmer noch retten und bei mir reinstellen. In mein Zimmer zu gehen, das haben sie sich nicht getraut. Ich habe ihnen gesagt, dass ich Journalist bin. Das hilft manchmal. Nicht immer, aber oft genug. Als sie weg waren, hat er gesagt, dass er Daten in Sicherheit bringen muss. Er hat sie überall gelöscht. Auf unserem Server, in der Cloud, überall, weil er Angst hatte, sie könnten dort gecrackt werden. Alles, was ihm wichtig war, packte er auf die Festplatten. Und du hast sie sprengen lassen. Und die Polizei hat jetzt, was noch übrig ist. Falls etwas übrig ist.«
»Was soll denn da drauf gewesen sein?«
»Reden wir eigentlich von demselben Alan? Oder … bist du überhaupt Emma? Emma Vine? Verwechsle ich dich? Oder verwechselst
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